Erst fielen Schüsse, dann schrie er um Hilfe: Mann aus Leipzigs längster Platte entführt
Leipzig - Ein mysteriöser Entführungsfall beschäftigt die Polizei in Leipzig. Augenzeugenberichten zufolge soll ein junger Afrikaner, der in Leipzigs längstem Plattenbau lebt, von mehreren Männern gewaltsam aus seiner Wohnung gezerrt und in einen SUV gepfercht worden sein. Von dem Mann fehlt seither jede Spur. Nachbarn wollen auch Schüsse gehört haben.
Die "Lange Lene" in Leipzig-Probstheida ist mit 335 Metern Sachsens längster Wohnblock. Doch nicht nur mit diesem Superlativ hat die von rund 1300 Menschen bewohnte DDR-Platte für Schlagzeilen gesorgt.
Am 11. Januar 2022 verschwand hier der 19-jährige Jesse L. spurlos. Wenig später wurde er erschossen auf einem Feld gefunden. Der Drogenmord-Prozess läuft noch immer am Landgericht.
Nahezu auf den Tag genau ein Jahr später ist es hier nun wieder zu einem Verbrechen gekommen. In der Nacht zu Mittwoch hörten Mieter kurz vor 22 Uhr plötzlich zwei Schüsse und dann laute Hilfeschreie.
Anwohner, die daraufhin einen Blick aus Türen und Fenstern warfen, berichteten der Polizei später, dass Unbekannte den Mieter der Wohnung 648 durchs Haus zerrten, ihn gegen seinen Willen in einen vor dem Haus wartenden SUV (vermutlich Audi Q7) verfrachteten und dann davonfuhren.
Die Augenzeugen berichteten von vier Entführern. Einem Hinweis zufolge könnte es sich um Männer aus der Balkanregion gehandelt haben.
Schüsse, Schreie, quietschende Reifen: Entführung in der "Langen Lene"
Nach den ersten Notrufen leitete die Polizei sofort eine Großfahndung ein. Doch vom Auto und dem mutmaßlichen Entführungsopfer fehlt jede Spur.
Bei dem Mann handelt es sich um Lionel N. (29) aus Kamerun. Er lebte schon mehrere Jahre in Leipzig, zuletzt in der vom Sozialamt gestellten Gewährleistungswohnung. Ob er hier studierte oder einer Arbeit nachging, ist bislang unklar.
Die Polizei bestätigte am gestrigen Mittwoch Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung, hielt aber alle weiteren Details geheim.
Für die Polizei war Lionel N. bislang ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Anders als im Mordfall Jesse L. gibt es auch keine Erkenntnisse zu einem möglichen Drogenbezug.
Die Ermittlungen hat das Kommissariat für Bandenkriminalität übernommen.
Titelfoto: Montage News5/Grube ; Silvio Bürger