Agentur verkauft Knebelverträge statt der großen Liebe: "Menschlich ist diese Firma nichts wert!"
Leipzig/Freiberg - Im Alter alleine zu sein und ohne Partner oder Partnerin zu Hause sitzen - diese Angst machen sich einige perfide Betrüger aus dem Raum Mitteldeutschland zunutze. Unter der Vorlage eines Knebelvertrags will die "Julie GmbH" Rentnern und Senioren auf der Suche nach der Liebe das Geld aus der Tasche ziehen - die Ermittler von "Voss & Team" sind den Schwindlern jedoch auf die Schliche gekommen!
2022 war die Frau von Rentner Hans Joachim Schneider völlig überraschend auf dem Weg in den Urlaub gestorben. Nachdem der 66-Jährige sich aus der Trauer zurück ins Leben gekämpft hatte, wollte er gerne eine neue Partnerin an seiner Seite - und stieß auf eine Annonce in der Zeitung.
Als er sich unter der angegebenen Nummer meldete, hatte er statt einer potenziellen neuen Frau eine Agentur an der Strippe. Nach einem Vorgespräch stand nur wenig später ein Mitarbeiter des Außendiensts der Firma vor der Tür des Seniors.
"Das Gespräch war für mich aufregend und aufwühlend und ging an die Substanz. Ich war teilweise nicht zurechnungsfähig", erinnerte sich Schneider. Innerhalb kürzester Zeit wurde ihm im Laufe des Gespräches ein Vertrag aufgeschwatzt, demzufolge er für die Vermittlung von acht "Freundschaftskontakten" 3600 Euro zahlen sollte.
Ein Reporter von "Voss und Team" hat das Unternehmen mit Sitz in Freiberg in Sachsen genau unter die Lupe genommen. Da die "Julie GmbH" oder auch "Freundschaftskreis GmbH" nach neuen Vertriebsmitarbeitern suchte, nahm der Journalist "undercover" an einem Schulungsgespräch der Firma teil.
Dort wurde ihm buchstäblich beigebracht, wie er liebeshungrige Rentner komplett übers Ohr hauen könnte!
Fragwürdige Schulung für Vertriebs-Mitarbeiter: "Da keine Luft ranlassen!"
Von der Begrüßung bis zum Vertragsabschluss wurde dem Mitglied von "Voss & Team" ein minutiöses Beispiel für einen Gesprächsablauf vorgelegt. Zunächst durfte das Gespräch auch nur in der Wohnung der Senioren stattfinden. "Wenn die das nicht wollen, dann fragen sie die Leute: 'Wollen Sie, dass das ganze Dorf bei so intimen Gesprächen zuhört?'", schärfte seine Ausbilderin dem Reporter ein.
Zunächst sollte er sein Gegenüber dann ausquetschen, welche Hobbys, Eigenschaften und Vorlieben der Senior bei seinem Partner suche - und ihm ganz zufällig von einer fiktiven Person aus der Kartei berichten, die wie die Faust aufs Auge für ein Date infrage kommen könnte.
"Den nächsten Satz müssen Sie dann vor dem Spiegel üben: Natürlich entstehen dabei Kosten, an denen Sie sich auch beteiligen müssen, 3600 Euro. Frau Müller, bar oder in Überweisung? Sie dürfen da keine Luft ranlassen, damit die keine Zeit haben, über die Summe nachzudenken", so die weitere Anweisung der Ausbilderin.
Bei der Unterzeichnung eines Vertrages sollte der Reporter dann ein Dokument vorlegen, auf dem die Senioren schriftlich von ihrem Widerrufsrecht zurücktreten. Verträgen, die "an der Haustür" abgeschlossen werden, können nämlich innerhalb einer 14-tägigen Frist widerrufen werden.
Auch ist in den Verträgen die Rede von der Vermittlung von acht "Freundschaftskontakten" - statt wie im Vertragsgespräch versprochen eine unbegrenzte Anzahl an potenziellen Date-Partnern. Für Verträge, die auf die Vermittlung von Ehen oder Partnerschaften abzielen, gibt es nämlich keine Zahlungspflicht für die Verbraucher.
Kündigung an Betrüger-Agentur wurde nicht akzeptiert
Hans Joachim Schneider ging den Betrügern auf jeden Fall auf den Leim, unterzeichnete den Knebelvertrag und ließ sich zu einer Ratenzahlung von 200 Euro im Monat verpflichten. Seiner Vertrauensperson bei der Sparkasse sprach den Rentner auf die Abbuchungen an.
"Sie fragte mich: 'Wissen Sie, worauf Sie sich eingelassen haben? Das ist keine seriöse Firma!'", erinnerte sich Schneider. Die Sparkassen-Mitarbeiterin löschte den Dauerauftrag, wenig später reichte er eine Kündigung ein - welche die "Julie GmbH" jedoch nicht akzeptierte.
Die Firma gab an, ihrem Kunden bereits kurz nach Vertragsabschluss bereits die acht versprochenen "Freundschaftskontakte" vermittelt zu haben.
"Ich habe bei der Firma angerufen und eine Mitarbeiterin meinte: 'Wir sind hier nicht die Wohlfahrt!' Menschlich ist diese Firma absolut nichts wert, denen geht es nur ums Geld", schimpfte der Senior. Als auch sein Sohn sich einschaltete, erließ ihm die "Julie GmbH" immerhin einen Geldbetrag in Höhe von 400 Euro.
Wer wirklich hinter den Betrüger-Firmen steckt und was der Verbraucherschutz zu Fällen wie den von Hans Joachim Schneider sagt, seht Ihr im gesamten Beitrag in der MDR-Mediathek.
Titelfoto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa