Fünffacher Kindermord: Nun sprach die angeklagte Mutter über ihre Kindheit
Wuppertal – Dem Gericht will sie nichts sagen, aber einer Psychologin hat sie sich ausführlich anvertraut. Und so erfahren Gericht und Öffentlichkeit doch etwas aus dem Leben der Christiane K., die im Verdacht steht, fünf ihrer sechs Kinder ermordet zu haben.
Die psychologische Gutachterin, Prof. Sabine Nowara, berichtete am Donnerstag dem Wuppertaler Landgericht aus den ausführlichen Gesprächen mit der mutmaßlichen Mörderin.
Die 28-Jährige erzählte ihr dabei von einer schwierigen Kindheit, frühem Mutterglück und einer sehr schwierigen Ehe, aber auch von der Version, ein Unbekannter habe ihre Kinder getötet.
Demnach sei die Angeklagte hauptsächlich bei ihren Großeltern aufgewachsen. Ihre leibliche Mutter sei nie eine Mutter für sie gewesen. Vor ihrem Vater sei sie immer geflüchtet, habe eine abgrundtiefe Abneigung gegen ihn.
Als sie zwölf Jahre alt war, habe sie ein Bekannter ihres Onkels vergewaltigt. Sie habe zwei, drei Jahre später Anzeige erstattet. Die Tat habe aber nicht mehr verfolgt und bestraft werden können, weil sie das Datum des Tattags nicht habe nennen können.
Sie sei danach in der Psychiatrie gewesen und habe sich einige Wochen lang geritzt.
Die junge Christiane K. bekam bereits mit 16 ihr erstes Kind
Als ihr erstes Kind auf die Welt kam, sei sie erst seit wenigen Tagen 16 Jahre alt gewesen. Ab 18 habe sie Hartz IV bezogen. Die Hauptschule habe sie abgebrochen. Weil ihr Ehemann arbeiten gegangen sei, habe sie sich entschlossen, zu Hause zu bleiben.
Nachdem ihr Mann bei der Bundeswehr entlassen wurde, sei es zu Problemen in der Ehe gekommen. Ihr Ehemann sei wie ein zusätzliches Kind gewesen, habe nichts auf die Reihe bekommen.
Ende 2017 habe ihr Haus zwangsversteigert werden müssen und sie seien nach Solingen-Hasseldelle umgezogen. Immer wieder sei ihr Mann für längere Zeit verschwunden.
Nach der Geburt ihres sechsten Kindes Melina habe er ihr 2019 offenbart, dass er sich in eine andere verliebt habe.
Für sie sei eine Welt zusammengebrochen. Ihre Kinder seien vergleichsweise pflegeleicht gewesen.
So verlief der Tattag laut der Angeklagten
Am Tattag habe sie das Frühstück gemacht, als sie auf ihrem Handy das Statusfoto ihres Mannes gesehen habe: Er habe darauf eine andere Frau geküsst.
Dann habe es an der Tür geklopft. Ein Unbekannter habe in weißen Handschuhen vor ihr gestanden und sie Nele genannt. Sie habe vermutet, er kenne sie von einem Erotikportal.
Der Mann habe nach Medikamenten gefragt und sie aufgefordert, sie den Kindern zu geben. Dann habe er sie gefesselt. Als sie ihren Kindern helfen wollte, habe sie einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei ohnmächtig geworden.
Als sie wieder zu sich gekommen sei, hätten alle Kinder in unterschiedlichen Zimmern gelegen. Sie habe dann entschieden, ohne ihre Kinder nicht weiterleben zu wollen.
Die Ermittler hatten diese Version vom Tattag als Schutzbehauptung zurückgewiesen.
Es gebe keine Spuren oder Hinweise auf den ominösen Unbekannten, obwohl man der Version nachgegangen sei.
Der Vater möchte nicht aussagen
Unterdessen gab der Vater von vier der fünf getöteten Kinder zu Protokoll, dass er nicht als Zeuge aussagen will. Er lässt sich im Verfahren als Nebenkläger von einem Anwalt vertreten. Die Angeklagte hatte bereits am Montag über ihre Verteidiger mitteilen lassen, dass sie weder zur Sache, noch zu ihrer Person aussagen werde.
Neben der psychologischen Gutachterin gibt es auch noch einen psychiatrischen Gutachter im Verfahren. Ihm hatte die Angeklagte eine nahezu identische Version des Tattags erzählt. Anträge der Verteidiger gegen den Gutachter wies das Gericht am Donnerstag zurück. Er hatte in einer vorläufigen Stellungnahme keine psychischen Erkrankungen bei der 28-Jährigen festgestellt.
Der Deutschen droht lebenslange Haft. Laut Staatsanwalt hatte sie ihren Kindern "hohe Dosen" eines Gemischs aus drei Medikamenten verabreicht und bei ihnen so "gezielt einen Dämmerzustand herbeigeführt", um ihre Gegenwehr zu mindern. Nacheinander habe sie ihre Kinder dann ins Badezimmer gebracht und in der Badewanne erwürgt, erstickt oder ertränkt.
Die Leichen der Kinder waren am 3. September vergangenen Jahres entdeckt worden: Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8). Ihre Mutter hatte sich nach der Tat im Düsseldorfer Hauptbahnhof vor einen Zug geworfen, aber überlebt.
Ihr ältester Sohn überlebte unverletzt. Seine Mutter hatte ihn zur Großmutter an den Niederrhein geschickt.
Titelfoto: Oliver Berg/dpa