Lars verschwindet mysteriös im Urlaub: Was ist mit meinem Sohn passiert?
Marne/Warna (Bulgarien) - Fast zehn Jahre fehlt auf absolut mysteriöse Weise jede Spur von Lars Mittank. 2014 rannte der damals 28-Jährige ohne ersichtlichen Grund aus einem bulgarischen Flughafen und ist seitdem verschwunden. TAG24 hat mit der zuständigen Polizei und einem Mediziner gesprochen, da auch ein Medikament eine große Rolle zu spielen scheint.
Lars lebt in Marne, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein. Am 30. Juni 2014 fliegt er mit fünf Kumpels nach Bulgarien, um am für Partyurlaub bekannten Goldstrand rund eine Woche dem Alltag zu entfliehen. Zunächst verläuft alles normal. Doch am 5. Juli wird ihm nach eigenen Aussagen von Unbekannten um 4 Uhr morgens vor einem McDonald's-Lokal gegen das linke Ohr geschlagen, wodurch er einen Trommelfellriss erleidet.
Am 7. Juli, dem eigentlichen Abreisetag, sucht er mit einem Freund einen Ohrenarzt auf, der ihm rät, nicht zu fliegen. Im Krankenhaus St. Anna wird ihm Cefzil 500 verschrieben, von dem er mutmaßlich drei Tabletten einnimmt. Anschließend lässt er sich zum Hotel Color, einer eher durchschnittlichen Billig-Herberge in einer heruntergekommenen Seitenstraße, fahren.
Kurz darauf ruft er seine Mutter Sandra Mittank an. Er fühle sich im Hotel nicht wohl und sie solle seine Kreditkarte sperren. Er sagt ihr: "Etwas stimmt mit dem Hotel nicht. Ich muss hier raus." Sie vermutet, dass er belauscht wird. Mitten in der Nacht geht er auf die Straße, versteckt sich vor angeblich vier Männern, die ihn verfolgen sollen.
Laut dem YouTube-Kanal "Insolito", der Vermisstenfälle beleuchtet und auch mit Sandra Mittank in Kontakt war, folgt eine SMS an seine Mutter mit dem Inhalt "Cefzil 500 was ist das?" Weil sie Angst hat, dass ihr sich versteckender Sohn erkannt wird, bucht sie ohne sein Wissen einen Flug, der am folgenden Nachmittag um 16.20 Uhr nach Hamburg abheben soll.
Gegen 5 Uhr wird er von einem Taxi, das eigentlich schon belegt ist, zum Flughafen gebracht. Und dort wird es ganz wild.
SMS an Mama Sandra: "Die lassen mich nicht fliegen und fahren lassen die mich auch nicht"
Sandra Mittank rät ihrem Sohn zum Besuch des Flughafenarztes, um sein Ohr abzuchecken. Schon bevor er um 9 Uhr zu Dr. Kosta Kostov geht, sagt er ihr: "Die lassen mich nicht fliegen und fahren lassen die mich auch nicht." Wen er meint, ist bis heute unklar. Er bittet sie, ihm Geld via Western Union zu schicken. Es ist der letzte Kontakt zwischen Mutter und Kind.
Etwa eine Dreiviertelstunde verbringt der 28-Jährige zunächst ohne Auffälligkeiten in der Praxis. Lediglich die Tabletten, die er nehmen soll, lehnt er ab - mutmaßlich wegen seiner (schlechten) Erfahrungen mit Cefzil 500.
Als ein Mann im Sprechzimmer erscheint, rennt Lars panisch durch das Flughafengebäude nach draußen, über den Parkplatz und klettert schließlich über einen 2,15 Meter hohen Stacheldrahtzaun in ein Sonnenblumenfeld. Seitdem ist der damals 28-Jährige verschwunden.
Um den im Sprechzimmer hinzugekommenen Mann gibt es widersprüchliche Aussagen von Dr. Kostov. Von Airline-Mitarbeiter über Flughafen-Angestellter bis hin zu einem Unbekannten waren alle Versionen dabei. Bei einer späteren Überprüfung wurde dem deutschen Ermittler ein Mann präsentiert, bei dem es sich um den Hinzugekommenen gehandelt haben soll. Dieser war zum Zeitpunkt des Vorfalls aber gar nicht in Bulgarien. Will der Flughafen hier etwas verschweigen?
Video-Zusammenschnitt von Lars Mittanks Verschwinden aus dem Flughafen Warna
Erlitt Lars Mittank eine Psychose? "Diese Nebenwirkungen würde man normalerweise nicht erwarten"
Auch komisch: Dr. Kostov behauptete, Lars habe zur Toilette gehen wollen und sei nicht zurückgekehrt. Allerdings zeigen Airport-Aufnahmen ganz klar, dass er hektisch aus dem Sprechzimmer rennt - ohne Reisetasche, Klamotten und Geldbörse.
Sandra Mittank werden am 27. Juli im Flughafen Warna die Aufzeichnungen gezeigt. Sie sieht ein zusätzliches Bewegtbild, das den deutschen Behörden verwehrt blieb. Lars sei zu sehen, wie er kontrolliert und gefasst Sichtschutz hinter einem langsam ausparkenden Bus sucht. Jene Aufnahmen lassen sie glauben, dass er wisse, was er tue und eben nicht planlos und panisch irgendwo hinrennt, sagt sie bei "Insolito".
Viele Vermutungen ranken sich um die Einnahme von Cefzil 500 und die Frage, ob das in Deutschland womöglich aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugelassene Antibiotikum eine Psychose bei Lars Mittank ausgelöst haben könnte.
"Bei diesem Wirkstoff würde man diese Nebenwirkungen normalerweise nicht erwarten", sagt Prof. Dr. med. Bertold Renner, Stellvertretender Direktor des Instituts für klinische Pharmakologie an der TU Dresden, zu TAG24. "Es gibt zwar einen möglichen Wirkmechanismus, der aber nicht nachgewiesen ist."
Er erläutert, dass es bei dem Arzt nicht geläufig sei, bei einer Trommelfellverletzung Antibiotikum aus prophylaktischen Gründen zur Vermeidung einer möglichen Mittelohrentzündung zu verabreichen. Komplett abwegig sei dies aber auch nicht.
Renner sagt aber, dass ein Flug mit einem Trommelfellriss aufgrund des stattfindenden Druckausgleichs nicht bedenklich sei. "Wenn die Verletzung aber so ist, dass das Trommelfell wieder zugehen kann, sollte man nicht fliegen."
Vermisster Lars Mittank: Mehrere Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte in unterschiedlichen Städten
Bei der zuständigen Bezirkskriminalinspektion Itzehoe seien in den vergangenen Jahren "mehrere Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte in unterschiedlichen Städten in Deutschland, aber auch in der Türkei, Bulgarien und Südamerika" eingegangen, berichtet Pressesprecherin Merle Neufeld auf TAG24-Anfrage.
Der jüngste Hinweis sei am 2. Januar aus Neuss eingegangen. "Allen Hinweisen wurde, so gut es ging, nachgegangen. Leider bis heute ohne Erfolg." Aktuell würden auch keine Überprüfungen laufen, so Neufeld, die mit ihren Kollegen weiterhin in jede Richtung ermittelt.
Hinweise zu Lars Mittanks Aufenthaltsort richtet Ihr bitte an die Bezirkskriminalinspektion Itzehoe unter 04821/6020. Weitere Infos zum Fall auch unter bka.de.
Titelfoto: Bildmontage: Bezirkskriminalinspektion Itzehoe ; Carsten Rehder/dpa