Ermittlungsfehler im Fall "Inga"? Das sagen die Akten 10 Jahre nach ihrem Verschwinden
Stendal - Was als fröhliche Familienfeier begann, endete für die Familie Gehricke am 2. Mai 2015 mit der vergeblichen Suche nach der fünfjährigen Tochter Inga. Auch zehn Jahre später fehlt von dem Kind jede Spur. Wurden Fehler bei den Ermittlungen gemacht? MDR-"Exactly" hat sich mit dieser Frage befasst und den Fall erneut aufgegriffen.

Drei Familien mit Kindern versammeln sich an dem Frühlingstag auf dem Gelände des Wilhelmshofs in Stendal, auf dem sich eine Einrichtung für chronisch Suchtkranke und behinderte Menschen befindet, darunter auch die Familie von Inga.
Als die Gruppe am frühen Abend ein Lagerfeuer in der Nähe eines Waldes entzünden möchte, fällt plötzlich auf, dass das Mädchen fehlt. Gegen 20.30 Uhr startet eine erste Polizeisuche nach dem Kind.
Die Polizei gibt später an, dass sie womöglich im Wald Feuerholz gesucht habe und dann verschwunden sei. Ingas Familie sagte jedoch aus, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Haben die Beamten hier bereits den ersten Fehler gemacht und am falschen Ort gesucht?
Dieser Meinung ist auch Victoria Gehricke, Ingas Mutter. Sie hatte damals große Hoffnung in die Arbeit der Polizei gesteckt. Wenn sie heute auf die vergeblichen Suchaktionen von vor zehn Jahren zurückblickt, würde sie jedoch nicht wieder zuerst im Wald suchen, sondern auf dem Wilhelmshof selbst.
In einem Interview von 2023 sagte sie: "Wir leben in einer Situation, wo alles von Misstrauen überschattet ist". 2019 sollten die Ermittlungen eingestellt werden. Familie Gehricke stellte sich jedoch quer. Ein neues Ermittlerteam übernahm daraufhin den Fall.
Gutachterin fehlen Qualifikationen

Steffen Tzschoppe, der Rechtsanwalt von Ingas Bruder, hat sich ebenfalls intensiv mit den Akten zum Fall Inga beschäftigt. Auch er ist der Meinung, dass Ermittlungsfehler gemacht wurden.
Ihm ist aufgefallen, dass eine Psychologin, die als Gutachterin beauftragt wurde, die Frau des leitenden Ermittlers ist. Tzschoppe kritisiert das Gutachten der Frau und zweifelt an ihrer Kompetenz in dem Fall.
Zudem deuten "Exactly" Hinweise darauf hin, dass ihr nötige Qualifikationen fehlen sollen. Sie habe keine Erfahrung in kriminologischen Fällen.
Auch die Arbeit einer privaten Hundeführerin, die noch Monate nach Ingas Verschwinden ihre Spur über 800 Kilometer von Stendal bis nach Österreich verfolgt haben will, wird angezweifelt. Eine Spur so lange verfolgen zu können, sei nach Angaben von Prof. Kai-Uwe Goss nicht möglich.
Ein Pfarrer meldete 2015 eine Person, die gebeichtet habe, dass Inga in einem Ort, der wie "Silz" klinge, lebe. Die Ermittler stießen daraufhin auf einen Ort in Tirol, in dem ein Tatverdächtiger gute Kontakte hat. Auch die Vierbeiner der Hundeführerin sollen damals angeschlagen haben.
Weitere intensive Ermittlungen zu dem Hinweis sollen jedoch laut den Akten nicht stattgefunden haben.
Titelfoto: Bildmontage: MDR/Michael Heinz, Polizei Stendal