Der Cold Case Inga: Diese neuen Erkenntnisse konnten 2023 gemacht werden!

Stendal - Der Fall Inga ist einer der rätselhaftesten Vermisstenfälle Deutschlands. Mai 2015 verschwand die damals Fünfjährige spurlos beim Holzsammeln in einem Wald bei Wilhelmshof (Stendal). Im Jahr 2023 kam wieder Bewegung in den bereits acht Jahre alten Cold Case. TAG24 gibt Euch einen Überblick der aktuellen Ermittlungen und neusten Erkenntnisse.

Februar bis März 2023

Inga (damals 5) verschwand im Mai 2015 beim Holzsammeln im Wald.
Inga (damals 5) verschwand im Mai 2015 beim Holzsammeln im Wald.  © Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord

Webseite soll neue Erkenntnisse bringen

Eine Gruppe von Anwälten schaltete Anfang des Jahres eine Webseite. Zusammen mit Privatermittlern erhofften sie sich dadurch neue Ansatzpunkte in dem Vermisstenfall.

"Es gibt eine Spur, wir müssen diese nur finden. Ein Mensch kann nicht einfach so innerhalb weniger Minuten vom Erdboden verschwinden", schrieb dort der beteiligte Rechtsanwalt Steffen Tzschoppe.

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Neue Erkenntnisse und Fragen sollten dann an die Staatsanwaltschaft Stendal weitergegeben werden.

Anwälte erheben schwere Vorwürfe gegen die Ermittler

In einem Interview zwischen Tzschoppe und der Volksstimme erklärt dieser, dass es ein Schreiben an die Innenministerin Tamara Zieschang (53, CDU) gegeben hat. Darin wurden schwere Vorwürfe gegen ehemalige Ermittler und eine "unabhängige Prüfgruppe" erhoben.

Anfang März war der Fall Inga dann erneut Thema im Landtag Sachsen-Anhalt. Nach einem Antrag der Linken und der SPD äußerte sich die Landesregierung nun zu den Pannen in den Ermittlungsverfahren. Auch Ingas Eltern waren vor Ort.

"Für die Landespolizei ist die Aufklärung dieses Falles von herausragender Bedeutung. Das war es von Anfang an, das ist es bis heute und das gilt auch in Zukunft", sagte Innenministerin Tamara Zieschang (52, CDU) damals im Innenausschuss des Landtags in Magdeburg.

Polizei und Feuerwehr suchten intensiv in Wilhelmshof nach dem verschwundenen Mädchen.
Polizei und Feuerwehr suchten intensiv in Wilhelmshof nach dem verschwundenen Mädchen.  © Florian Voigt/dpa

Haben Ermittler eine wichtige Spur ignoriert?

Der Berliner Anwalt Steffen erklärte zudem im März gegenüber der Bild-Zeitung, dass die Stendaler Ermittler damals einem wichtigen Verdächtigen keine Aufmerksamkeit mehr schenkten.

In der Wohnung des verurteilten Pädophilen Martin H. wurde ein Jahr nach Ingas Verschwinden eine schockierende Entdeckung gemacht. Der Verurteilte Martin H. hatte dort mehrere Sexpuppen aufbewahrt, die fünfjährigen Mädchen ähnelten.

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Nicht nur sei Wilhelmshof (der mutmaßliche Ort Ingas Verschwindens) auch Martin H.'s Heimatort. Er besitze zudem ein Wohnhaus in Bitterfeld. Die dortigen zugemauerten Fenster, schalldichten Türen und Matratzen in einem abgeriegelten Keller deuteten auf eventuelle Horrortaten von Martin H. hin.

Der Straftäter soll zudem wohl wenige Wochen nach Ingas Verschwinden mit einem Bagger in seinem Garten gegraben haben."Die Stendaler Ermittler ließen die Spur jedoch fallen, weil sie dem Alibi des Mannes glaubten", wirft Tzschoppe vor.

Ingas Mutter meldet sich zu Wort!

Mutter Victoria G. sagte in einem Interview mit dem MDR Sachsen-Anhalt, dass sie hoffe, dass der Fall um ihre Tochter ganz neu aufgerollt werden würde. Die bisherigen Ermittlungen würden genügend Anhaltspunkte bieten, die eine neue Sicht auf den Vermisstenfall erlauben könnten.

"Meine größte Hoffnung ist, dass untersucht wird, wieso dieser Fall im Sande verlaufen ist", so Ingas Mutter. Auch die Bildung einer neuen unabhängigen Ermittlergruppe oder sogar die Übernahme durch das Landeskriminalamt würde sie sich wünschen.

Vorwürfe zu möglichen Patzern wolle sie niemandem machen, solange nun noch mal alles versucht wird.

Ingas Mutter wünscht sich im Vermisstenfall ihrer Tochter die Bildung einer neuen unabhängigen Ermittlergruppe.
Ingas Mutter wünscht sich im Vermisstenfall ihrer Tochter die Bildung einer neuen unabhängigen Ermittlergruppe.  © Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord

April bis Juni 2023

Landespolizeichef Mario Schwan äußerte sich zu den Vorwürfen, dass im Fall der vermissten Inga von den Ermittlern gepfuscht wurde.
Landespolizeichef Mario Schwan äußerte sich zu den Vorwürfen, dass im Fall der vermissten Inga von den Ermittlern gepfuscht wurde.  © Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/dpa

Ermittler aus Halle übernehmen den Fall Inga

Zieschang verkündete nach den Vorwürfen, dass die Polizeiinspektion Halle die Auswertung und Analyse des bisherigen Ermittlungsstandes übernimmt.

Unter Anwesenheit von Ingas Eltern beschlossen Abgeordnete um Innenministerin Zieschang, dass die Ermittlungen in ungeklärten Kriminalfällen nun neu strukturiert werden müssen.

Die Ermittler sollten mit einem unvoreingenommenen Blick auf den Fall schauen.

Es gebe auch die Überlegung, dass die PI Halle nach der Einarbeitung in die Akten auch auf die Eltern des vermissten Mädchens zugeht. Deren Hinweise könnten einbezogen werden.

Landespolizei äußert sich zu Pfusch-Vorwürfen

Landespolizeichef Mario Schwan, der sich selbst ausführlich mit dem Fall Inga beschäftigt hatte, ließ die Vorwürfe so nicht auf sich sitzen. "Nach meinem Erkenntnisstand haben die Ermittler [...] seit 2015 sehr intensiv und umfangreich ermittelt", erklärte Schwan damals in der MDR-Sendung "Kripo Live".

"[...] Das hat überhaupt nichts mit Misstrauen in die Arbeit der Kollegen vor Ort zu tun", so Schwan weiter.

Die Polizeiinspektion Halle übernahm Anfang 2023 die weiteren Ermittlungen.
Die Polizeiinspektion Halle übernahm Anfang 2023 die weiteren Ermittlungen.  © Lukas Schulze/dpa

Oktober bis Dezember 2023

Die Polizei ging im Fall Inga neuen Hinweisen nach.
Die Polizei ging im Fall Inga neuen Hinweisen nach.  © Cevin Dettlaff/dpa

Pädophiler Verdächtiger prahlt mit Detailwissen

H. flüchtete nach dem ersten Verdacht zu einem Bekannten und beichtete seine kranken Vorlieben einer Frau, die heute eine wichtige Zeugin darstellt.

Gegenüber ihr meinte der Verdächtige, dass er "wegen des Falls Inga" von der Polizei gejagt werde und prahlte mit detaillierten Informationen.

Laut H. soll sich die kleine Inga mit den anderen Kindern im Wald gestritten haben. Zudem soll sie bereits tot sein, doch die Polizei suche am falschen Ort. Der Zeugin schwor er, dass er jedoch nichts mit der Tat zu tun habe. Den wahren Täter beschrieb er als "glücklichen Finder".

Die Bekannten verständigten damals die Polizei, welche Martin H. am Folgetag festnahm. Dieser bestritt im Verhör weiterhin, etwas mit Ingas Verschwinden zu tun zu haben. Er habe sich lediglich für den Fall interessiert, weil dem Täter gelungen sei, was er immer schaffen wollte: ein Kind zu entführen, ohne erwischt zu werden.

Polizei macht bei Grabung interessante Entdeckung

Die Polizei ging zuletzt im Dezember neuen Hinweisen nach und fand bei Grabungen spannende Anhaltspunkte.

Die Grabungen fanden auf einem privaten Militärgelände statt. Dabei wurden kleine Knochen gefunden, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stendal, Thomas Kramer. Mehrere stammten offensichtlich von Tieren, bei einigen sei nicht sicher, ob sie menschlichen Ursprungs sind. Rechtsmedizinische Untersuchungen folgten.

Anfang Dezember soll es eine privat organisierte Suche mit Spezialhunden in der zu diesem Zeitpunkt verschneiten Gegend gegeben haben. Mehrere Hunde hätten angezeigt, dass in einem Bereich bei Uchtspringe, einem Ortsteil von Stendal, mögliche menschliche Überreste liegen könnten oder dort eine Ablagestelle gewesen sein könnte.

Die Grabungen fanden Mitte Dezember auf einem alten Militärgelände statt.
Die Grabungen fanden Mitte Dezember auf einem alten Militärgelände statt.  © Cevin Dettlaff/dpa

Die private Ermittlungsgruppe wollte ihre Ergebnisse an die Polizei weiterreichen, hieß es.

Titelfoto: Bildmontage: Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, Lukas Schulze/dpa

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