Der brutale Raubmord an Ingolf H. (†24): Wenn ein Gerichtsfall den Kalten Krieg befeuert
Völpke - Vor über 40 Jahren wurde nahe Magdeburg ein 24-Jähriger brutal von zwei Freunden ermordet. Der Gerichtsfall um seinen Mörder hielt beide Seiten des geteilten Deutschlands lange in Atem.
Am Abend des 8. Oktobers 1982 putzte sich der 24-jährige Ingolf H. richtig heraus, denn für ihn stand ein wichtiger Moment bevor. Seine Mutter sah noch, wie er freudestrahlend die gemeinsame Wohnung in Völpke (Sachsen-Anhalt) verließ. Zu dem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie ihren Sohn zu Gesicht bekommt.
Wie sich später herausstellte, traf sich Ingolf H. mit seinen beiden Freunden Klaus J. und Frank W. Sie hatten ihm versprochen, ein Auto für den 24-Jährigen zu kaufen, im Austausch für 25.000 D-Mark in Bar. Da sich Ingolf schon lange nach seinem eigenen Wagen sehnte, willigte er ein und war überglücklich, schon bald hinter dem Steuer sitzen zu können.
Doch dazu kam es nicht mehr: Seine beiden Kumpel hatten bereits seit einiger Zeit seinen Mord für jenen Tag geplant. Ingolf nahm auf dem Beifahrersitz platz, Frank W. strangulierte ihn schließlich von hinten mit einem Kabelbinder. Der erste Mordversuch gelang nicht, sodass Klaus J. ebenfalls mit eingreifen musste.
Die beiden verscharrten schließlich ihren toten Freund in einer abgelegenen Gegend, teilten die 25.000 D-Mark untereinander auf, und ließen das Ereignis hinter sich.
Verdächtiger am Mord von Ingolf H. flüchtete in die BRD
Eine Großfahndung nach dem Vermissten Ingolf H. führte die Ermittler schließlich zu Klaus J., bei dem in der Zwischenzeit einige teurere Anschaffungen gemacht wurden. Lange Zeit weigerte sich der Mann gegenüber Vernehmungen, bis es ihm schließlich zu viel wurde.
"Er fragte, ob er noch eine rauchen gehen konnte", erinnert sich der damalige DDR-Kriminalpolizist Bernd Lamprecht bei "Kripo Live - Den Tätern auf der Spur", "und dann sagte er [...] 'Am besten Sie holen ein Auto, wir fahren da raus wo die Leiche liegt'".
In Folge gestand der Verdächtige die gesamte Tat und so auch die Beihilfe von Kumpel Frank W. Der Mann war Anfang des Jahres 1983 in die damalige BRD geflüchtet, und wurde dort als "erster Flüchtling des Jahres" gefeiert.
Auf Klaus J. wartete bereits eine lebenslange Haft, gegen Frank W. wurde ein Haftbefehl ausgesprochen. Was folgte war ein turbulentes Gerichtsverfahren, was, laut Historiker Michael Goll, den Kalten Krieg zwischen Ost- und Westdeutschland immer weiter befeuerte.
"Es ging gar nicht um den Fall", so der Historiker, "[...] sondern es war tatsächlich so, dass [...] die Diplomatie, die dahinterstehenden Fragen um Souveränität, um Anerkennung eigentlich zentral waren."
BRD und DDR wollten aus Gerichtsverfahren "politisches Kapital schlagen"
Die BRD dachte zunächst, die DDR habe sich den Mordfall ausgedacht, um den Verdächtigen wegen der Flucht verurteilen zu können. Schließlich stand Frank W. dann in Hamburg vor Gericht.
Er äußerte sich nicht zu dem Fall, die Beweise wurden vom Gericht nicht anerkannt, Augenzeugen durften zur Aussage nicht in die BRD ausreisen - was folgte war ein schockierender Freispruch gegen den Tatverdächtigen.
Aufgrund eines Formfehlers wurde der Fall um den getöteten Ingolf H. ein Jahr später erneut aufgerollt. Nun konnten endlich Beweise und Aufnahmen der DDR im Gerichtsprozess gültig gemacht werden. Frank W. wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die er trotzdem in der BRD absitzen musste.
"Ein Raubmörder hat seine Strafe gekriegt. [...] Schlimm nur, dass daraus beide Seiten politisches Kapital schlagen wollten", äußert sich der ehemalige Staatsanwalt des Magdeburger Gerichts, Wilmar Bohmeier, zu dem Fall.
In 1995 tötete Frank W. in dem Gefängnis gemeinsam mit einem Komplizen einen weiteren Mann. Diesmal, um sich wertvollen Schmuck unter den Nagel zu reißen. Auch dieses Mal heißt das Urteil lebenslänglich.
Frank W. hat inzwischen seine Haftstrafen abgesessen und ist seit 2021 wieder auf freiem Fuß - und das, ohne jemals auch nur ein Wort über seine brutalen Taten verloren zu haben.
Titelfoto: Bildmontage: Marcus Brandt/dpa, Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa