Tausende Ermittlungsdaten weg! Minister verspricht Aufklärung zu Löschpanne
Magdeburg - Wenn Ermittler Kriminalfälle aufklären, sind sie auch auf Datenbanken mit Fingerabdrücken, Fotos und weiteren Informationen angewiesen, um Serien und Zusammenhänge aufzudecken. Doch in Sachsen-Anhalt sind Tausende davon weg - und nun?
Nach dem Bekanntwerden einer umfangreichen Löschpanne wichtiger elektronischer Ermittlungsdaten beim Landeskriminalamt (LKA) hat Innenminister Michael Richter (66) eine umfassende Aufklärung zugesagt. "Da sind Abläufe mangelhaft, und das werden wir aufklären", sagte der CDU-Politiker am Montag in Magdeburg.
So solle auch verhindert werden, dass sich etwas Ähnliches wiederholen könne. Laut Richter wurden am Wochenende bereits zahlreiche Gespräche geführt und eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Panne genau unter die Lupe nimmt. Zudem wollte der Minister noch am Montag mit LKA-Beschäftigten sprechen.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass im LKA rund 42.000 Datensätze gelöscht wurden, unter anderem Fingerabdrücke und Fotos von Verdächtigen und Straftätern. Nach Angaben von Innenminister Richter können die Daten knapp 16.500 Menschen zugeordnet werden.
Die Innenexperten des Landtags kritisierten, dass sie über die Panne nicht informiert wurden und forderten schnelle Aufklärung.
Offizielle Speicherfrist der verlorenen Daten abgelaufen
SPD-Innenexperte Rüdiger Erben (53) wies darauf hin, dass der Innenausschuss erst am Donnerstag getagt habe, die Abgeordneten seien aber nicht informiert worden. Es wurde der Ruf nach einer Sondersitzung des Ausschusses laut.
Innenminister Richter sagte, er selbst sei erst nach der Sitzung im Landtag über den Vorgang in Kenntnis gesetzt worden. "Da hätte ich aber viele Fragen noch nicht beantworten können oder kann sie auch jetzt noch nicht beantworten, weil die Ermittlungen noch laufen."
Der Grünen-Innenexperte Sebastian Striegel (39) monierte, dass die LKA-Ermittler auffallend viele alte Datensätze im System hatten, die sie schon lange auf mögliche Lösch-Fälle hätten prüfen sollen. "Die Gründe für die mangelnde Pflege des polizeilichen Datenbestands müssen geklärt werden."
Der Innenminister stellte am Montag klar: Für alle verloren gegangenen Daten war die offizielle Speicherfrist abgelaufen. Das heißt, die Ermittler hätten für jeden einzelnen Fall prüfen müssen, ob diese Frist verlängert wird, etwa weil es noch offene Ermittlungen im Zusammenhang mit Kriminalfällen oder Verdächtigen gibt, oder ob die Daten tatsächlich gelöscht werden müssen.
Diese Prüfung erfolgte laut Innenminister nicht. Stattdessen wurden alle Daten gelöscht.
Auswirkungen auf Ermittlungsarbeit unklar
Zuvor hatte das Bundeskriminalamt (BKA) den Ländern den Teil des internen Informationssystems rückübertragen, in dem wichtige sogenannte erkennungsdienstliche Daten gespeichert sind - eben Fingerabdrücke, Fotos oder Informationen zur DNA von Verdächtigen und Tätern.
Eine Rettung scheint möglich: Im BKA existiere eine Datenbanksicherung, sagte der LKA-Sprecher am Wochenende der "Magdeburger Volksstimme".
Derzeit werde geprüft, inwiefern die Daten zurückgeholt werden könnten, sagte Richter. Danach müsste aus datenschutzrechtlichen Gründen die Sortierung nachgeholt werden, ob Daten weiter gespeichert oder gelöscht werden.
Unklar sei derzeit noch, ob und welche Auswirkungen die Löschpanne auf die Ermittlungsarbeit habe. So sind sämtliche Fahndungs- und DNA-Daten noch im System. Zudem auch all jene Datensätze, bei denen keine Löschfrist abgelaufen ist.
Welchen Anteil die gelöschten Informationen an allen gespeicherten Fingerabdrücken und Fotos haben, muss laut Richter ebenfalls noch ermittelt werden. Das Gleiche gilt für die Frage, wer wann im Innenministerium von der Panne wusste und wer die Sammel-Löschung veranlasst hat.
Nach derzeitigen Informationen sehe es so aus, als seien an dem Vorgang drei Bedienstete beteiligt gewesen, sagte Richter, und zwar je einer aus dem BKA, dem LKA sowie der als Dienstleister für die Polizei fungierenden Inspektion Zentrale Dienste.
"Das ist kein schöner Vorgang, das muss man so deutlich sagen", resümierte der Minister.
Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa