Schüsse im Gericht: Mutter erschoss mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter

Lübeck – Acht Schüsse in einem Lübecker Gerichtssaal sind in die Justizgeschichte eingegangen: Am 6. März 1981 erschoss die Gastwirtin Marianne Bachmeier (1950-1996) den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter.

Durch einen Pulk von Fotografen geht Marianne Bachmeier (2.v.r) am 2. November 1982 zu ihrem Platz im Gerichtssaal.
Durch einen Pulk von Fotografen geht Marianne Bachmeier (2.v.r) am 2. November 1982 zu ihrem Platz im Gerichtssaal.  © picture alliance / dpa

In ihrer Vernehmung nach der Tat sagte Bachmeier aus, dass es ihr nicht um Rache gegangen sei. So berichtet es Klaus-Dieter Schulz, der damals als zuständiger Staatsanwalt die Vernehmungen geführt hat.

"Sie sagte, sie habe verhindern wollen, dass der Angeklagte durch seine Aussage ihre Tochter öffentlich schlecht macht", sagt Schulz. Die Tat löste heftige öffentliche Debatten aus, sie gilt noch heute - 40 Jahre später - als spektakulärster Fall von Selbstjustiz in Deutschland seit 1945.

Der 6. März 1981 war der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen den damals 35-jährigen Schlachter Klaus Grabowski. Er hatte bereits gestanden, die damals sieben Jahre alte Anna in seiner Wohnung vergewaltigt und erwürgt zu haben.

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Kurz vor Verhandlungsbeginn betrat Bachmeier den Schwurgerichtssaal, zog eine Waffe aus ihrer Manteltasche und feuerte acht Schüsse auf den Angeklagten ab, der ihr den Rücken zugekehrt hatte. Sechs Schüsse trafen Grabowski, der noch im Gerichtssaal starb.

"Ich weiß noch, dass ich in meinem Dienstzimmer im Gerichtsgebäude saß, als plötzlich mein Chef rein kam und sagte, im Schwurgerichtssaal sei ein Mann erschossen worden", erinnert sich Schulz heute. "Als ich in den Saal kam, lag Grabowski tot auf dem Boden. Marianne Bachmeier war bereits in einen Nebenraum gebracht worden", sagt Schulz.

Blick über die Blutlache und Anklagebank auf die Tür, von wo aus die tödlichen Schüsse auf Klaus Grabowsky fielen (Archivfoto vom 6. März 1981).
Blick über die Blutlache und Anklagebank auf die Tür, von wo aus die tödlichen Schüsse auf Klaus Grabowsky fielen (Archivfoto vom 6. März 1981).  © Cornelia Gus/dpa

Marianne B. saß zwei Jahre im Gefängnis

Am 6. März 1981 erschoss die Gastwirtin Marianne Bachmeier in einem Lübecker Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter.
Am 6. März 1981 erschoss die Gastwirtin Marianne Bachmeier in einem Lübecker Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter.  © Klaus Franke/dpa

Die Tat der damals 31 Jahre alten Mutter, die in der Lübecker Altstadt eine Kneipe betrieb, führte in der Öffentlichkeit zu einer heftigen Diskussion über Selbstjustiz und den Umgang der Justiz mit Sexualstraftätern.

Der wegen Sexualverbrechen an Kindern vorbestrafte Grabowski hatte sich freiwillig kastrieren lassen, war später aber mit Genehmigung eines Gerichtes mit Hormonen behandelt worden.

Im November 1982 begann der Prozess gegen Bachmeier. "Das Interesse der Öffentlichkeit und der Presse war riesig", erinnert sich Schulz, der damals die Anklage gegen Bachmeier vertrat. Die lautete zunächst auf Mord.

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Am Ende des 15 Monate dauernden Prozesses verurteilte das Landgericht sie im März 1983 wegen Totschlags zu 6 Jahren Haft, von denen sie aber letztlich nur gut 2 Jahre verbüßen musste.

Nach ihrer vorzeitigen Haftentlassung 1985 heiratete Bachmeier einen Afrikaner und zog mit ihm nach Nigeria. Nach ihrer Scheidung 1990 pflegte sie Sterbende in einem Hospiz auf Sizilien, heißt es in einem autobiografischen Buch. Dann erkrankte sie selbst an Krebs und kehrte nach Lübeck zurück. Wenige Monate später, im September 1996, starb sie in einer Lübecker Klinik und wurde an der Seite ihrer Tochter Anna auf dem Lübecker Burgtorfriedhof beigesetzt.

Heute erinnert in Lübeck kaum noch etwas an Bachmeier. Das gemeinsame Grab von Mutter und Tochter wurde 2016 eingeebnet, nachdem die Liegezeit von 20 Jahren abgelaufen war. Einzig Bachmeiers ehemalige Kneipe, das "Tipasa" in der Lübecker Altstadt, existiert noch, mit neuen Betreibern und neuem Konzept.

Titelfoto: Fotomontage: picture alliance / dpa, Cornelia Gus/dpa

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