Riesen-Razzia in NRW: Clan-Familie residiert in Villa und zockt Sozialleistungen ab
Leverkusen/Düsseldorf - Die Clan-Familie residierte in einer Villa in Leverkusen, während sie der Polizei zufolge Sozialleistungen in sechsstelliger Höhe bezog.
Ermittler taxierten das Anwesen im Stadtteil Rheindorf auf einen Wert von mehr als einer Million Euro.
Doch am Dienstag durchbrach ein Polizeipanzer das Tor zum Anwesen und sprengte eine Spezialeinheit die Haustür auf. Vier Familienangehörige wurden festgenommen.
Gegen den staatenlosen Hauptbeschuldigten (46), seine Frau (42/Libanesin) und seine beiden Söhne (24/28/Deutsch-Libanesen) lagen Haftbefehle vor.
Insgesamt rund 600 Polizisten waren an der Aktion in 15 NRW-Städten beteiligt, berichtete NRW-Innenminister Herbert Reul (68, CDU).
Die Leverkusener Familie wird dem Al-Z.-Clan zugerechnet.
Der 46-Jährige soll Schlichter des Clans sein, der zu den großen in Nordrhein-Westfalen zählt. Dem Clan werden im jüngsten Lagebild 227 Tatverdächtige zugerechnet, die für 441 Straftaten verantwortlich sein sollen.
Allein in dem Leverkusener Anwesen stießen die Ermittler auf 290.000 Euro Bargeld. Derweil habe die Familie mindestens 400.000 Euro Sozialleistungen kassiert.
Scharfe Pistolen und viel Bargeld gefunden
Ein scheinbar mittelloser Sohn der Familie habe das Haus gekauft und an seinen Vater vermietet.
Die Miete habe das Jobcenter beglichen.
Die Umstände der Finanzierung der Immobilie sprächen für "Geldwäsche in Reinkultur", sagte der leitende Ermittler gegen Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt NRW.
Eine Reihe von Leuten habe größere Geldbeträge als Schenkung oder Darlehen überwiesen und später in bar von Unbekannten erstattet bekommen.
Neben dem organisierten bandenmäßigen Sozialbetrug gebe es Hinweise auf Gewaltdelikte, Schutzgelderpressung und Rauschgiftkriminalität, sagte eine Ermittlerin.
Es seien zwei scharfe Pistolen und eine Kalaschnikow-Maschinenpistole AK 47 mit verschlossenem Lauf entdeckt worden.
Zudem wurden 19 Blanko-Testergebnisse für Coronatests sicher gestellt.
Bei dem 46-Jährigen handele es sich um "einen der absoluten Top-Leute der Clan-Kriminalität in NRW", sagte Reul. "Wir haben ihn nicht nur festgenommen, sondern ihm auch sein Zuhause weggenommen. Das ist heute ein Schlag gegen die erste Liga der Clan-Kriminalität."
Die Villa werde nun im Grundbuch dem Staat übertragen. Auch Autos und eine 30 000 Euro teure Armbanduhr wurden sichergestellt.
Es sei ein großartiger Tag im Kampf gegen die Clan-Kriminalität, sagte der Minister. "Mit jedem Einsatz dringen wir tiefer in den kriminellen Sumpf und in die Schattenwelt der Clans ein." Sogar NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (60, CDU) meldete sich zu Wort und dankte den Ermittlern.
Spezialeinheiten rückten an
Die Einsätze in Leverkusen und 14 weiteren NRW-Städten stünden im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften in Düsseldorf und Duisburg.
In Düsseldorf wird seit fast zwei Jahren wegen bandenmäßigen Sozialbetrugs und Geldwäsche ermittelt, in Duisburg wegen eines Steuerverfahrens.
Weil die Verdächtigen als gefährlich und bewaffnet eingestuft wurden, kamen Spezialeinheiten zum Einsatz. Insgesamt seien 31 Objekte im Rheinland, im Bergischen Land und im Ruhrgebiet durchsucht worden: Häuser, Wohnungen, Büros und Geschäfte.
Hinter der Aktion stand die Zentralstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten (ZeOS).
"Erneut darf ich der ZeOS zu einem aktuellen Erfolg im Kampf gegen Clankriminalität gratulieren", sagte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (73, CDU). Es habe sich bewährt, eine schlagkräftige Truppe aus erfahrenen Staatsanwälten zu formen, die in der Lage ist, auch komplexe Strukturen aufzubrechen.
Den intensiven Ermittlungen der ZeOS sei es zu verdanken, dass nicht nur Haftbefehle gegen vier Personen aus dem Clan-Milieu vollstreckt werden konnten, sondern auch große Mengen Bargeld, mehrere Schusswaffen sowie eine Immobilie beschlagnahmt wurden.
Titelfoto: Marcel Kusch/dpa