Getreten, erstochen, entstellt: Wieso musste Rafael (†28) sterben?
Ulm - Er war beliebt und stadtbekannt, ging offenherzig auf Menschen zu - und doch scheint er auch gehasst worden zu sein: Der Mord an Rafael Blumenstock (†28) ist auch mehr als 30 Jahre nach der Tat noch ungeklärt.
Eine Frohnatur, bekannt und gemocht von jedermann. So wurde Rafael Blumenstock beschrieben. Umso größer ist der Schock, als seine völlig entstellte und übel zugerichtete Leiche im November 1990 auf dem Ulmer Münsterplatz gefunden wird. Es ist der einzige ungelöste Mordfall in der 125.000-Einwohner-Stadt.
Möglicherweise könnte die sexuelle Orientierung ein (niedriger) Beweggrund für die Tat sein. Denn der Musikstudent zog sich gern mal Frauenkleider an und trug Lippenstift. Ob er homosexuell war, ist aber unbekannt.
"Das kann als Motiv gewertet werden, denn es gab Gruppen, die sehr homophob waren oder politisch eher rechtsextremistisch einzuordnen sind", sagt Kriminalpsychologin Lydia Benecke (38), die den Fall Blumenstock mehr als 30 Jahre nach der Tat detailliert in der SAT.1-Gold-Sendung "Ungelöst und unvergessen" beleuchtet.
Ungelöst und unvergessen: Die Rekonstruktion von Rafael Blumenstocks letzten Stunden
Am 3. November 1990 ist Rafael Blumenstock in der Ulmer Innenstadt unterwegs. An jenem Samstagabend besucht er das Konzert von Sänger Percy Sledge (†74, "When A Man Loves A Woman") im Szenelokal "Aquarium".
Zunächst in einer Personengruppe unterwegs, zieht der 28-Jährige später allein durch Kneipen und Schnellrestaurants, besucht auch Privatpartys. Bis 4.30 Uhr kann die Tour lückenlos rekonstruiert werden.
Eine Stunde später ist der Student tot. Er wird am Morgen von einem Mitarbeiter der Stadtreinigung in einem Blumenkübel gefunden.
Der Anblick muss grauenvoll gewesen sein, denn erst am nächsten Tag kann Rafael auch aufgrund des völlig entstellten Gesichts identifiziert werden.
Die Polizei geht bis heute von zwei bis drei Tätern aus, die mit einem Messer 21-mal auf ihn einstachen, ihn mit Faustschlägen und Fußtritten malträtierten.
"Es ist eine Tat, bei der zum Ausdruck kommt, mit was für einer Wut und Aggression der oder die Täter agiert haben", sagt Lydia Benecke. Doch wer hatte solch eine Wut auf ein? Weshalb löste er Aggressionen aus?
Wieso wurde Rafael Blumenstock umgebracht?
Nicht nur seine sexuelle Orientierung, auch sein politisches Engagement könnte damit zusammenhängen. Der Student soll an Hausbesetzungen linker Aktivisten teilgenommen haben. Am Leichenfundort und auf Rafaels Körper sollen Abdrücke von Springerstiefeln sichergestellt worden sein.
Eine Beziehungstat, die bei einem solchen "Übertöten" meistens vorliegt, konnte sich dagegen bis heute nicht erhärten.
Im Jahr 2000, zehn Jahre nach dem Mord, gab es aufgrund fortschreitender technischer Möglichkeiten einen Durchbruch. Der Schmutz unter seinen Fingernägeln enthielt die DNA-Spur einer anderen Person. Doch die Überprüfung von mehr als 200 Personen führte nicht zum Täter. Ob das Verbrechen jemals aufgeklärt werden kann, bleibt ungewiss.
Das SWR-Fernsehen hatte zum 30. Todestag einen Beitrag in der Sendung "Landesschau" ausgestrahlt. Auch hier blieben entscheidende Hinweise aus.
Die ganze Folge "Ungelöst und unvergessen" mit Rafael Blumenstock und drei anderen Kriminalfällen seht Ihr auf Abruf bei SAT.1 GOLD.
Titelfoto: Bildmontage: Google Street View, Screenshot/SWR