Rätselhafter Tod einer Schweizerin an der Nordsee: Wieso musste "Ursi" sterben (†67)?
Von Oliver Wunder und Bastian Schlüter
Cuxhaven - Per WhatsApp-Nachricht erfuhr Adolf B. vom Tod seiner Schwester Ursula "Ursi" B. (†67).
Hunderte Kilometer entfernt in der Nähe an der Nordsee hatten Nachbarn am 26. Oktober 2022 den Rettungsdienst gerufen, weil sie die Schweizerin seit Tagen nicht mehr gesehen hatten. Außerdem waren seit drei Tagen die Rollläden am Haus in Otterndorf im Landkreis Cuxhaven heruntergelassen.
Die Rettungskräfte fanden die Frau: Sie lag tot in ihrem Bett. Die Verwesung hatte bereits eingesetzt. Ungewöhnlich war, dass Ursula B. in der sogenannten Fechterstellung unter der Decke lag, in der sonst nur Babys schlafen.
Vermutlich wurde die 67-Jährige getötet. Doch das zu beweisen, ist nicht ganz so einfach. Die fortgeschrittene Verwesung macht es schwer die genaue Todesursache herauszufinden. Sicher ist, dass der Oberschildknochen im Halsbereich kurz vor ihrem Tod gebrochen war. Vermutlich infolge einer gewaltvollen Auseinandersetzung, allerdings kann auch ein Unfall nicht ausgeschlossen werden.
Die Ermittler haben einen Verdächtigen im Visier, so der Rechtsanwalt Thiemo Röhler (44). Er vertritt Ursula B. Familie, die herausfinden will, was geschehen ist. Es soll sich dabei um einen Mann aus der Region handeln: Michael.
Ermittler finden bei Verdächtigem Wertgegenstände der Toten
Die 67-Jährige traf ihn wenige Monate nach der Trennung von Dietmar. Mit dem Norddeutschen, den sie im Internet kennengelernt hatte, war sie Anfang 2020 kurz vor dem ersten Lockdown Hals über Kopf aus der Schweiz in seine Heimat gezogen.
Er trennte sich nach etwa anderthalb Jahren von ihr. Eigentlich wollte sie danach sofort wegziehen, doch die Schweizerin hatte sich auch in die Landschaft und die Nordsee verliebt. Also blieb sie.
Wann genau ist unklar, aber irgendwann lernte Ursula auf einem Parkplatz Michael kennen. Eines ihrer Lichter war kaputt, er sprach sie an. So erzählten es Nachbarn und Anwalt Röhler. Danach trafen sich die beiden immer wieder. Der Anwalt vermutet, dass sie eine Affäre miteinander hatten, obwohl Michael mit einer anderen Frau liiert war.
Außerdem seien im Auto des Mannes Bargeld, darunter Schweizer Franken, Gold und Schmuck gefunden worden. Darunter sei auch ein Erbstück der Familie. "Die Familie sagt mir, diese hätte die Verstorbene niemals aus den Händen gegeben", sagte Röhler.
Adolf: "Das ist mir unbegreiflich." Der Verdächtige behauptet, das sie ihm Geld und Wertgegenstände wegen seiner Arbeitslosigkeit und einer Motorradreparatur geschenkt habe, berichtet der Anwalt. "Ich halte das für eine reine Schutzbehauptung."
Wo ist das Handy von Ursula B.?
Was fehlt und bei den Ermittlungen helfen könnte, ist Ursulas Handy. Sie habe zwar erst spät damit angefangen, doch das Smartphone "war wie angewachsen", erinnert sich ihr Bruder.
Sie benutzte es auch gerne für ihr Hobby, die Fotografie und Social Media. Das Gerät fanden die Ermittler nicht im Haus der Toten.
Ungewöhnlich – vor allem, weil der dazugehörige Eingabestift unter dem Bett lag. "Da war mir klar, jemand Fremdes hat nachgeholfen", sagte Adolf.
Die Ermittlungen ziehen sich – zu sehr aus Sicht der Hinterbliebenen. "Ich wäre froh, wenn der Staatsanwalt Nägel mit Köpfen macht und eine Anklage formuliert, damit das zu Gericht kommt. Dann weiß man, es gibt ein Urteil und man kann vorläufig abschließen", sagte Ursulas Bruder. Und auch Anwalt Röhler meint: "Unserer Auffassung nach ist die Indizienkette sowas von klar".
Michael befindet sich weiter auf freiem Fuß. Wie lange noch?
Titelfoto: Montage: CRIMESPOT/Bastian Schlüter (2)