Mythos Hinterkaifeck: Rätselhafter Sechsfachmord auch nach 100 Jahren unvergessen
Waidhofen - Egal ob als Roman, Dokumentation oder Spielfilm - Krimis fesseln und faszinieren die Menschen. Ein besonderer, wahrer Kriminalfall aus Oberbayern sorgt seit mittlerweile 100 Jahren für Grusel und Spekulationen: der Sechsfachmord auf dem Einödhof Hinterkaifeck.
In der Nacht zum 1. April 1922 wurden dort vier Erwachsene und zwei Kinder erschlagen - die Bauernfamilie Gruber und ihre Dienstmagd.
Der oder die Täter wurden nie gefasst - das sorgt bis heute für reichlich Mutmaßungen. In den vergangenen Monaten erschienen daher auch wieder mehrere Bücher zu der Thematik.
Nachdem früher schon Bücher, Filme, Podcasts auf den Markt kamen und der Fall sogar auf der Theaterbühne landete, wird die Geschichte inzwischen insbesondere auch auf verschiedenen Seiten im Internet am Leben gehalten.
Dabei gibt es längst keine Zeitzeugen mehr, weswegen der Fall wohl nie mehr verlässlich geklärt werden kann. Auch den Hof Hinterkaifeck bei Waidhofen im bayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen gibt es schon lange nicht mehr. Dort erinnern nur noch das Grab der Opfer und ein kleines Denkmal an das Verbrechen.
Nicht zuletzt die Umstände in der Opferfamilie liefern bis heute viel Gesprächsstoff. Denn der zur Tatzeit 63 Jahre alte Bauer Andreas Gruber hatte seine Tochter Viktoria, die im Alter von 35 umgebracht wurde, wohl seit deren Jugend missbraucht.
Möglicherweise stammte der ebenfalls ermordete, erst zwei Jahre alte Sohn Viktorias von Andreas Gruber ab.
Unlösbarer Fall beschäftigt Menschen bis heute
Im Bayerischen Polizeimuseum in Ingolstadt, einer Abteilung des dortigen Armeemuseums, wurde der "Mythos Hinterkaifeck" vor wenigen Jahren in einer länger gezeigten Ausstellung thematisiert.
Zum eigentlichen Jahrestag ist nun aber keine Schau zu sehen. Man habe sich gegen eine einfache Neuauflage der alten Ausstellung entschieden, sagt Museumsdirektor Ansgar Reiß.
Das Interesse an dem Fall ist nach seiner Einschätzung aber weiterhin groß. Insbesondere gebe es rege Diskussionen innerhalb einer Gruppe, die sich besondere mit dem Fall beschäftige. "Und es gibt auch nach wie vor ein öffentliches Interesse, ein Publikumsinteresse."
Reiß findet insbesondere die Frage beachtenswert, warum Hinterkaifeck auch nach einem Jahrhundert spannend bleibt und immer wieder neu erzählt wird.
Die kriminalistische Frage, wer letztlich der Mörder war, steht für ihn im Hintergrund. "Ein zentraler Punkt ist natürlich, dass der Fall nicht aufgeklärt werden konnte - trotz intensivster Bemühungen der bayerischen Polizei", so der Museumschef.
"Das Vertrackte an dem Fall ist, dass er nicht auflösbar ist."
Die wahre Geschichte hinter dem Erfolgsroman "Tannöd" von Andrea Maria Schenkel
Zu diesem Ergebnis kamen letztlich auch Studierende der Polizei-Hochschule in Fürstenfeldbruck bei München, die sich im Jahr 2007 die Akten noch einmal vornahmen und einen rund 190 Seiten starken Bericht erstellten.
Die Beamten hatten zwar nach eigenen Angaben einen eindeutigen Verdacht, benannten aber keinen Täter.
Die Verfasser thematisierten in ihrer Arbeit auch, ob beispielsweise mit DNA-Technik das Rätsel gelöst werden könnte. Doch sie kamen zu dem Schluss: "Auch modernste kriminalistische Methoden haben ihre Grenzen."
Ein Grundproblem ist, dass das bei der Augsburger Justiz aufbewahrte Beweismaterial - darunter die archivierten Schädel der Opfer - bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zum großen Teil zerstört wurde.
Als die Polizei-Studenten den Fall sezierten, war das Verbrechen durch den Roman "Tannöd" von Andrea Maria Schenkel gerade wieder allgegenwärtig. Die Bestsellerautorin hatte sich damals von dem ungeklärten Fall inspirieren lassen und Berichte dazu gelesen.
Auch "Tannöd" wurde letztlich zu einem Justizfall: Ein Sachbuchautor, der sich lange mit Hinterkaifeck beschäftigt hatte, verklagte die Schriftstellerin wegen eines angeblichen Plagiats - vergeblich.
In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht in München 2009, dass Schenkel mit der Nutzung von Zeitungsartikeln und Archivmaterial keine Urheberrechtsverletzung begangen habe.
Titelfoto: Bildmontage: Stephan Jansen/dpa, Stefan Puchner/dpa (2)