Kreuzworträtsel-Mord vor 40 Jahren: Lars' (†7) Tod ging in die Kriminal-Geschichte ein
Leipzig/Halle (Saale) - Im Jahr 1981 ging ein Tötungsdelikt in der DDR in die weltweite Kriminalgeschichte ein. Im "Kreuzworträtsel-Mord" um den kleinen Lars Bense (†7) aus Halle-Neustadt führten lediglich ausgefüllte Denkspiele aus Zeitungen auf die Spur des Täters.
Am 15. Januar 1981 beginnt die wohl größte Fahndungssuche der DDR. An diesem Tag verschwindet der siebenjährige Lars Bense, Erstklässler der Bernard-Koenen-Schule, auf dem Weg zum Kino.
Der damalige Leiter der Mordkommission, Siegfried Schwarz, ist sich relativ schnell sicher, dass dem Grundschüler etwas zugestoßen sein muss.
Doch erst 14 Tage später wird durch einen erschreckenden Fund der Fall so richtig angeschoben. Der damals 19 Jahre alte Uwe Theuerkorn, Streckenläufer der Bahn, findet zwischen Halle und Leipzig einen Reisekoffer im Schnee neben den Gleisen. Er öffnet ihn behutsam, wie er für den MDR nachstellte, und stößt auf einen toten Körper.
Gerichtsmediziner Prof. Dr. Wolfgang Dürwald (†90) untersucht den Leichnam in Leipzig. Er findet eine "geradezu eingepresste" kindliche Leiche unter vielen zusammengeknüllten Zeitungen. Die Besonderheit: In den Zeitungen finden sich zahlreiche ausgefüllte Kreuzworträtsel.
Das Kind weist mehrere Stiche und Verletzungen stumpfer Gewalt auf. Es ist Lars Bense.
Frau G.s Schrift ist ein Volltreffer!
Ermittler Schwarz verspricht den Eltern: "Der Mörder Ihres Sohnes wird gefunden und seiner gerechten Strafe zugeführt", wie er in einem "Kripo live"-Extra erzählt.
Doch es vergehen ergebnislose zehn Monate. Es werden insgesamt über 500.000 Schriftproben gesammelt - von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, sogar von mittlerweile Verstorbenen.
Sachverständige legen sich fest, dass die "Verursacherin" der ausgefüllten Kreuzworträtsel eine Frau im mittleren Alter ist. Für die Ermittler ist sofort klar: Schriftenverursacherin und Täter sind zwei verschiedene Personen.
Über Pkw-Anmeldungen, Personalausweis-Anträge und persönlich eingeholten Schriftproben wird unter Hochdruck nach der Nadel im Heuhaufen gesucht.
Dann der Wendepunkt. Am 10. November 1981 betreten Ermittler den fünfgeschossigen Block 398 in Halle-Neustadt. Eine Mieterin ist nicht da: Frau G. arbeitet als Saisonkraft in einem Strandcafé an der Ostsee. Die hiesige Polizei wird von den Hallenser Kollegen beauftragt, eine Schriftprobe von ihr zu besorgen und diese nach Halle zu schicken - es ist ein Volltreffer!
Schnell gerät G.s Schwiegersohn Matthias S. (19) ins Fadenkreuz der Ermittlungen. Er arbeitet damals als Saisonkraft in einem Ferienheim in Friedrichroda.
Und tatsächlich: Der 19-Jährige gesteht die Tat und schildert Details. Er habe Lars am 15. Januar mit Spielzeugautos gelockt und ihn mit in die Wohnung seiner Schwiegermutter genommen. Wohlwissend, dass seine Partnerin noch auf Arbeit ist.
Er missbraucht den Erstklässler, betäubt ihn mit Hammerschlägen, legt ihn die Badewanne, wo er weiter auf seinen Hinterkopf einschlägt. Weil Lars noch immer Lebenszeichen von sich gibt, sticht S. ihm mehrfach in die Herzgegend. Der Siebenjährige hat keine Chance.
Den 1,18 Meter kleinen Körper drückt er in einen Reisekoffer und stopft diesen mit Zeitungen, die er in der Wohnung findet, aus. Dass sich in diesen ausgefüllte Kreuzworträtsel befinden, weiß er nicht.
Seine Freundin, so wird im Prozess aufgedeckt, musste ihm Geschichten von kleinen Jungen erzählen, um ihn sexuell zu stimulieren. Die Tötungsfantasien entwickelte er, nachdem er seinem Opa beim Schweineschlachten zugesehen hatte.
Matthias S. wird wegen Mordes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch zu lebenslanger Haft verurteilt. Später wird die Haftstrafe aufgrund seines Alters auf zehn Jahre reduziert und die Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet.
Täter-Vater begeht Selbstmord, Opfer-Vater stirbt am Todestag
Weil sich die Tat und der Name des Mörders schnell in Halle-Neustadt herumsprechen, verlassen seine Eltern zeitweise die eigene Wohnung nicht mehr und gehen auch ihrer Arbeit nicht nach. Später ziehen sie in eine andere Stadt, suchen sich einen neuen Job.
Tragisch: Wenige Jahre nach der Tat begeht Matthias S. Vater Selbstmord, zudem stirbt der Papa von Lars am 15. Januar 1994 an den Folgen seiner Alkoholsucht - exakt 13 Jahre nach dem Tod seines Sohnes. Matthias S. lebt nach seiner Entlassung offenbar in Magdeburg mit neuer Frau und Stiefkind, wo er am 15. Januar 2013 - auf den Tag genau 32 Jahre nach dem Mord nach schwerer Krankheit verstirbt.
Der "Kreuzworträtsel-Mord" gilt weltweit als Kriminalfall mit der umfassendsten Auswertung von Schriftproben. Es waren mehr als eine halbe Million. Von Hand. Ohne Computer.
Den gesamten Fall seht Ihr in der Extra-Ausgabe von "Kripo live".
Titelfoto: Bildmontage: Screenshot/MDR-Mediathek