Frauen-Morde in Hamburg verharmlost? Angehörige gedenken Juliet H. (†42)

Hamburg - Im Hamburger Stadtteil Altona-Nord haben am Mittwochabend etwa 80 Menschen der getöteten Juliet H. gedacht.

Etwa 80 Menschen versammelten sich am Mittwochabend vor dem Wohnhaus von Juliet H.
Etwa 80 Menschen versammelten sich am Mittwochabend vor dem Wohnhaus von Juliet H.  © JOTO

Die vierfache Mutter wurde vor einer Woche in ihrer Wohnung in einem Hochhaus in der Eckernförder Straße tot aufgefunden (TAG24 berichtete). Ihr elfjähriger Sohn hatte die 42-Jährige entdeckt, als er am Mittwoch nach der Schule nach Hause gekommen war.

Die Frau hatte laut Polizeiangaben mehrere Stich- und Kopfverletzungen. Als dringend tatverdächtig gilt der ehemalige Lebensgefährte der Frau. Er konnte nur wenige Stunden später in seiner Wohnung in Hamburg-Dulsberg festgenommen werden.

Wie die Polizei außerdem mitteilte, hatte die Frau noch drei weitere Kinder im Alter von 7, 14 und 18 Jahren. Sie wurden vom Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes betreut und in die Obhut des Jugendamtes gegeben.

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Währenddessen riefen die "Autonomen Hamburger Frauenhäuser" am Mittwoch um 18 Uhr zu einer Gedenkkundgebung nahe des Wohn- und Tatorts auf. An der Gedenkveranstaltung am Mittwochabend nahmen auch Familienangehörige der getöteten Juliet H. teil. Sie legten weinend und klagend Blumen vor dem Hauseingang ab.

"Wir möchten an Juliet denken. Wir möchten aber auch unseren Protest, unsere Trauer und unserer Wut aufgrund ihres gewaltsamen Todes Ausdruck verleihen", kündigten die Veranstalter die Kundgebung auf ihrer Website an.

Sie kritisieren, dass Justiz und Medien die Tat als Tötung oder Familiendrama verharmlosen. Dabei ermittelt die Mordkommission aktuell noch die genauen Hintergründe des Falls.

Die Getötete habe das Frauenhaus bereits im Juli 2017 aufgesucht, heißt es in der Ankündigung der Gedenkveranstaltung. "Im September 2017 lockte der Ex-Partner Fr. H. mit ihrem Sohn, in die ehemals gemeinsame Wohnung und malträtierte sie bis zur Bewusstlosigkeit mit Schlägen, Würgen und einem Elektroteaser", heißt es dort weiter.

Tatsächlich liegt der Oberstaatsanwaltschaft bereits eine Anklage gegen den 49-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung vor. Das Gericht verfügte 2017 ein Abstands- und Kontaktverbot, das aber zum Zeitpunkt der Tat ausgelaufen war (TAG24 berichtete).

Die "Autonomen Hamburger Frauenhäuser" ordnen den Fall als einen von mittlerweile sieben Frauen-Morden im Jahr 2018 in Hamburg ein.

Trauernde haben Blumen neben ein Foto des Opfers gelegt.
Trauernde haben Blumen neben ein Foto des Opfers gelegt.  © JOTO

Erst eine Woche zuvor hatte schon die Hamburgische Bürgerschaft über Gewalt gegen Frauen debattiert. In diesem Jahr seien in Hamburg sechs Frauen durch ihren Partner oder Expartner zu Tode gekommen, hatte die Linksfraktion noch vor dem Fall in Altona-Nord berichtet.

Darunter fällt auch der Doppelmord am Jungfernstieg. Im April hatte die Tat an der belebten S-Bahn-Station für großes Entsetzen in Hamburg gesorgt (TAG24 berichtete): Eine 34-järige Frau und ihr einjähriges Kind wurden vor den Augen zahlreicher Passanten mit Messerstichen getötet. Der Ex-Freund der Frau muss sich aktuell wegen zweifachen Mordes vor Gericht verantworten.

Er soll seiner Ex-Freundin, von der er seit Sommer 2017 getrennt war, schon vorher immer wieder gedroht haben. Am 11. April, einen Tag vor der Tat am Jungfernstieg, signalisierte ihm ein Familiengericht, dass sein Antrag auf ein gemeinsames Sorgerecht keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Der Angeklagte gestand die Tat bereits bei einer ersten Vernehmung der Polizei.

Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes versucht im Schnitt jeden Tag ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Im vergangenen Jahr starben dabei deutschlandweit 147 Frauen. Hinzu kommen Tausende Fälle von Vergewaltigung, Körperverletzung, Stalking und sexueller Nötigung.

Fast 140.000 Fälle von Gewalt in der Partnerschaft wurden 2017 angezeigt. Die Dunkelziffer ist aber weitaus höher.

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