Zeuge im "Sandkuhle"-Mord packt aus: Mehrere haben davon gewusst!
Aachen – Mord verjährt nicht: Ein Angeklagter (51) muss sich Dienstag vor Gericht verantworten – er soll vor fast 25 Jahren einen Mann getötet haben.
Die Leiche mit massiven Spuren von Gewalt lag im Dezember 1996 in einem abgelegenen Waldstück zwischen den weiten Feldern des Niederrheins.
Ein Jäger entdeckte den unbekleideten Toten. Aber die Identität des Mordopfers blieb mehr als 20 Jahre ungeklärt: Keine Vermisstenanzeige führte weiter, und am Fundort nördlich von Krefeld gab es keine Spuren.
"Ich hab mich immer gefragt, wie man da hinkommt", sagt Gerhard Hoppmann, der langjährige Leiter der Mordkommission in Krefeld. Der heute 62-jährige Ermittler war damals vor Ort.
Vom Fundort der Leiche am Rand einer Kiesgrube bekam der Fall den Namen "Sandkuhle". Schnell war klar, dass dieser einsame Ort nicht der Tatort war.
Die Ermittler rätselten: Könnte der Unbekannte ein Osteuropäer sein, einer der vielen polnischen Landarbeiter am Niederrhein? Aber nichts passte, alle Ansätze liefen ins Leere. Wegen fehlender Ermittlungsperspektiven ruhte der Fall, wurde zu einem "Cold Case".
"Aktenzeichen XY... ungelöst" brachte entscheidenden Hinweis
Doch dann kam überraschend Dynamik hinein: Anfang September 2020 wurde die Identität des Mordopfers bekannt, und schon vier Wochen später saß ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft.
Dieser 51-jährige Mann muss sich ab Dienstag, fast 25 Jahre nach der Tat, vor dem Landgericht in einem Mordprozess verantworten. Mord verjährt nicht. Acht Verhandlungstage sind bis zum 11. Mai geplant.
"Wie ein Krimi", kommentierten Beobachter die Entwicklung. Denn dass das Mordopfer noch identifiziert werden konnte, ist reiner Zufall.
Beim Zappen entdeckte ein Fernsehzuschauer zufällig in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" ein neues Porträt des Unbekannten. Der Hinweis passte, die spätere DNA-Prüfung auch: Der Tote war ein 43-jähriger ehemaliger Busfahrer aus Aachen.
Von seiner Familie war der geschiedene Vater zweier Kinder nie als vermisst gemeldet worden. Er hatte in Würselen bei Aachen mit Wohnmobilen gehandelt und Schulden gemacht.
Im Dezember 1996 verschwand er von einem Tag auf den anderen, mit ihm Schäferhund "Rex" und sein VW-Bus. Seine Familie nahm an, der 43-Jährige habe sich ins Ausland verdrückt.
Angeklagter soll ehemaligen Busfahrer zu Tode gedrosselt haben
"Es ist wichtig, dass die Kinder wissen, was passiert ist", sagte der damalige Ermittler der Krefelder Mordkommission, Gerhard Hoppmann. Nun hätten die seinerzeit 7 und 14 Jahre alten Kinder erfahren, warum der Vater sich nie gemeldet hatte.
Der deutsche Angeklagte soll das Opfer gekannt und gelegentlich in dessen Werkstatt gearbeitet haben. Mittäter soll ein damals 26 Jahre alter Komplize gewesen sein, der ein Jahr später bei einem Motorradunfall in der Türkei starb.
Beide sollen den Wohnmobil-Händler grausam und aus Habgier getötet haben. Es soll um 5000 Mark gegangen sein.
Während der später gestorbene Mittäter mit einem Hammer vielfach zugeschlagen haben soll, wird dem Angeklagten vorgeworfen, das Opfer mit einem Seil zu Tode gedrosselt zu haben.
Tatort war wohl die Wohnung des Opfers bei Aachen. Inzwischen gibt es Zeugen, die angeben, von der Tat gewusst zu haben. Warum haben sie sich nicht vorher gemeldet? Sie hätten entweder eine enge Beziehung zu den Tatverdächtigen gehabt oder den Erzählungen nicht geglaubt, berichtete der Ermittler.
Der damalige Leiter der Mordkommission hat den Tatverdächtigen selbst festgenommen. Dieser habe nicht ausgesagt, aber nach einem Rechtsanwalt gefragt, berichtete Hoppmann. Mehrfach hatten Polizei und Justiz betont, die Anordnung von Untersuchungshaft enthalte kein Urteil über die Schuld des Beschuldigten. Ermittler Hoppmann ist nun in Pension. Er wird im Verfahren als Zeuge gehört.
Update, 10.32 Uhr: Angeklagter schweigt
Ein Mord vor fast 25 Jahren wird jetzt vor dem Landgericht Aachen verhandelt - zu Beginn des Prozesses hat der Angeklagte geschwiegen.
Das Gericht verhandelt seit Dienstag den Mord an einem 43 Jahre alten Familienvater im Jahr 1996. Die Anklage wirft dem 51-jährigen Kfz-Handwerker vor, das aus dem Raum Aachen stammende Opfer wegen 5000 Mark mit einem inzwischen gestorbenen Komplizen getötet zu haben.
Der Angeklagte verfolgte den Prozess regungslos mit in den Schoss gelegten Händen. In dem bis Mai geplanten Prozess sollen viele Zeugen gehört werden. Auch eine Tatrekonstruktion ist geplant.
Update, 21.April, 16.45 Uhr: Zeuge packt aus: Mehrere haben es gewusst
Am Mittwoch hat ein wichtiger Zeuge über die Schilderung der Tat durch den Angeklagten berichtet. Der 51-Jährige habe damals bei ihm in der Kfz-Werkstatt gearbeitet und von dem Mord erzählt, sagte der Mann im Prozess vor dem Landgericht in Aachen. Demnach wurde die Bluttat Ende 1996 vom Bruder dieses Zeugen sowie dem Angeklagten begangen, um an 5000 Mark des Opfers zu kommen. Seinerzeit hätten mehrere davon gewusst, meinte der Zeuge. Sein Bruder, der mutmaßliche Mittäter, starb 1997 bei einem Unfall in der Türkei.
Durch die Angaben des Zeugen aus Würselen bei Aachen waren die Ermittlungen mehr als 20 Jahre nach dem Mord an dem lange unbekannten Mann wieder ins Rollen gekommen. Er erkannte das Opfer anhand eines neuen Phantombildes, nannte den Namen und sagte, dass er wisse, wer den Mann ermordet habe. Der im Dezember 1996 am Rand einer Kiesgrube am Niederrhein gefundene Tote konnte identifiziert und die Familie des getöteten 43-Jährigen informiert werden. Der Angeklagte im Mordprozess hat bislang nicht ausgesagt.
Von den Schilderungen der mutmaßlichen Täter berichtete der Zeuge: Dass sein Bruder mit einem Hammer auf das Opfer eingeschlagen habe und der Angeklagte den Schwerverletzten erdrosselt habe. Sie hätten ihm getrennt davon berichtet. "Es ist ohne jede Gefühlsregung erzählt worden", sagte er. In mehreren Details blieb der Zeuge unbestimmt und reagierte gereizt auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters, der ihm mit Ordnungsgeld drohte.
Der Mann sagte, damals habe er nichts gemeldet, weil er selbst viel mit der Polizei zu tun gehabt habe. Er war in jungen Jahren wegen Körperverletzung verurteilt worden. Er habe eine Krebserkrankung überstanden, beim Zappen im Fernsehen den Betrag über den Mordfall gesehen und angerufen. "Irgendwann kann man mit der Last nicht mehr leben", sagte er.
Titelfoto: Montage: Polizei Aachen