Präsidentin tritt wegen Affäre um Kindesmissbrauch zurück
Budapest - Politisches Erdbeben in Ungarn: Die wegen der Begnadigung eines in Kindesmissbrauch verwickelten Mannes in die Kritik geratene Präsidentin Katalin Novak (46) ist zurückgetreten.
Die enge Vertraute des rechtsnationalen Regierungschefs Viktor Orban (60) erklärte am Samstag, sie verzichte wegen ihres "Fehlers" auf ihren Posten. Die 2022 angetretene Novak war die erste Frau an der Staatsspitze Ungarns.
Novak war durch Enthüllungen unter Druck geraten, dass sie im April 2023 anlässlich des Besuchs von Papst Franziskus (87) in Budapest einen in Kindesmissbrauch verwickelten Mann begnadigt hatte.
Der ehemalige stellvertretende Leiter eines Kinderheims war 2022 zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden, weil er kriminelle Handlungen seines Vorgesetzten gedeckt hatte.
Die Opposition hatte nach Bekanntwerden der Begnadigung in der vergangenen Woche Novaks Rücktritt gefordert, im Land war es zu Demonstrationen gekommen.
Erst am Freitagabend hatten sich Demonstranten vor dem Präsidentenpalast in Budapest versammelt, drei Präsidentenberater traten zurück.
Weitere Politikerin zieht sich zurück
Am Samstag nun zog Novak die Konsequenzen und erklärte ihren Rücktritt: "Ich entschuldige mich bei denen, die ich verletzt habe, und bei allen Opfern, die möglicherweise den Eindruck hatten, dass ich nicht zu ihnen stehe", sagte die 46-Jährige.
Sie stehe "für den Schutz von Kindern und Familien ein, habe dies getan und werde dies auch weiterhin tun". Vor ihrer Wahl zur Präsidentin war Novak lange Familienministerin gewesen. Es dürfe "keinen Zweifel" geben, dass es gegenüber Kindesmissbrauch "null Toleranz" gebe, betonte sie.
Der Präsident oder die Präsidentin haben im politischen System Ungarns vor allem protokollarische Aufgaben. Trotzdem war die Berufung Novaks und damit einer Frau in das Amt sehr bedeutungsreich. Denn Orbans Regierung ist männerdominiert: Im 16 Posten umfassenden Kabinett des rechtsnationalen Regierungschefs ist keine einzige Frau.
Nach Novaks Rücktritt kündigte zudem die frühere Justizministerin Judit Varga (43) ihren Rückzug "aus dem öffentlichen Leben" an. Varga hatte der Begnadigung im April 2023 zugestimmt. Sie hatte sich unlängst von der Spitze des Ministeriums zurückgezogen, um die Liste von Orbans Partei Fidesz bei der anstehenden Europawahl anzuführen.
Nun legte sie ihr Mandat als Parlamentarierin nieder und tritt nicht mehr zur Europawahl an.
Titelfoto: AFP/Ferenc Isza