Nach Studie: Zahl der gemeldeten Missbrauchsfälle in rheinischer Kirche gestiegen
Von Dorothea Hülsmeier
Düsseldorf - Die Zahl der gemeldeten Missbrauchsfälle in der Evangelischen Kirche im Rheinland ist angestiegen. Bei der zuständigen Meldestelle seien bis Ende 2024 insgesamt 124 Meldungen aus allen Ebenen der Kirche eingegangen, sagte Vizepräses Christoph Pistorius in Düsseldorf.
Vor einem Jahr hatte die Kirche im Rahmen der Veröffentlichung der bundesweiten Forum-Studie 70 Verdachtsfälle in ihrem Bereich seit 1946 dokumentiert.
Die in den neuen Meldungen benannten Fälle liegen teilweise Jahrzehnte zurück. Bei mindestens einem Drittel der 124 Verdachtsmeldungen gebe es Überschneidungen mit den bisher bekannten 70 Fällen, hieß es.
In 33 der 124 Meldungen seien die Beschuldigten Theologen - fast alle Pfarrer. Manchmal werde aber auch dieselbe Person in mehreren Fällen beschuldigt. Bei anderen Meldungen gehe es um Mitarbeiter der Kirche oder Ehrenamtliche.
Der rheinische Präses Thorsten Latzel sagte, bei der Forum-Studie habe der Schwerpunkt vor allem auf Pfarrern oder Menschen in einer herausgehobenen Machtposition gelegen. Es werde aber in der Breite auf alle Berufsgruppen und Ehrenamtliche in der Kirche geschaut. "Das kann aber genauso gut der Chorleiter, der Jugendleiter sein."
Missbrauch in Evangelischer Kirche: Opfer erhalten Entschädigung
Die Ende Januar 2024 vorgelegte Forum-Studie unabhängiger Wissenschaftler zu sexualisierter Gewalt im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie hatte für die vergangenen Jahrzehnte mindestens 2225 Betroffene und 1259 mutmaßliche Täter dokumentiert.
Auf Ebene der rheinischen Landeskirche, die die zweitgrößte innerhalb der EKD ist, wurden inzwischen den Angaben zufolge Personalakten von 4733 Pfarrpersonen gesichtet.
An 40 Opfer sexualisierter Gewalt wurden nach Angaben von Pistorius im Bereich der rheinischen Kirche bisher insgesamt 725.000 Euro Entschädigung gezahlt. Hinzu kämen weitere 139 Fälle auf dem Gebiet der gemeinsamen Diakonie Rheinland, Westfalen und Lippe. Dort seien rund 2,2 Millionen Euro bisher gezahlt worden.
Die Landeskirche habe seit Veröffentlichung der Forum-Studie ihre
Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung personell verstärkt. Leiterin sei inzwischen die Kriminologin Katja Gillhausen. Außerdem seien Staatsanwälte im Zuge von genehmigten Nebentätigkeiten beauftragt worden, die bekannten sowie neue Fälle aufzuarbeiten.
Auch Gewalt an Schülerheimen und Internaten im Bereich der rheinischen Kirche werde aufgearbeitet, sagte Pistorius. Eine Vorstudie sei bereits fertig.
Titelfoto: Martin Gerten/dpa