Missbrauchs-Fälle in Sachsen: Aufarbeitung kostet Kirche halbe Million Euro
Pobershau/Dresden - Bei der Aufarbeitung von Missbrauch gegenüber Schutzbefohlenen steht die Evangelische Landeskirche Sachsen erst ganz am Anfang. Das hat der jetzt vorgelegte Abschlussbericht einer Expertenkommission zur Untersuchung von sexuellen Übergriffen in Pobershau (Erzgebirgskreis) mehr als deutlich gemacht.
Eine Hand am Hintern, am Knie, an der Brust, verbale Attacken - die Vorfälle, um die es geht, sind seit fünf Jahren bekannt. Der Täter: ein ortsbekannter ehrenamtlich tätiger Kantor. Die Opfer: sechs minderjährige Mädchen, eine junge Erwachsene.
Die Folgen: nicht enden wollendes Leid auf der einen, eine Suspendierung und eine Entschuldigung auf der anderen Seite sowie eine tief gespaltene Gemeinde.
Die Ermittlungen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs wurden eingestellt. Die Taten datieren im Wesentlichen in die Zeit zwischen 1997 und 1999 und sind nach der bis 2013 geltenden Rechtsprechung schon verjährt, als die Anzeigen 2019 gestellt wurden.
In ihrem Abschlussbericht bemängeln die vier Experten nun vor allem fehlende Strukturen zur Prävention, zur Intervention und zur Aufarbeitung innerhalb der evangelischen Kirche - zur Zeit der Missbrauchsvorfälle, aber im Grunde bis heute.
Klare Empfehlung: Schaffung von hauptamtlichen Stellen für Kindesmissbrauch sowohl innerhalb der Kirche als auch beim Freistaat und schnelle Hilfsangebote für Opfer.
Die Aufarbeitung in der Evangelischen Kirche stehe erst am Anfang
Dennoch habe sich die Kirche in Sachen Aufarbeitung auf den Weg gemacht, so Gregor Mennicken (54), Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Seit 2020 gibt es eine Anerkennungskommission, die bisher 43 Betroffenen in Sachsen Leistungen von insgesamt 500.000 Euro zugesprochen hat.
In Sachsen wurde nach Pobershau 2021 indes auch der Fall des früheren Jugendwarts und Diakons Kurts Ströer (†2013) bekannt. Er soll seit den 1960er-Jahren und bis 2010 in Chemnitz und Moritzburg Kinder und Jugendliche missbraucht haben.
Bisher haben sich 34 Betroffene gemeldet. "Die Aufarbeitung in der Evangelischen Kirche steht erst am Anfang", sagte Christiane Hentschker-Bringt (48) von der AWO-Fachstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt.
Titelfoto: dpa/Jan Wolters (2)