In Polizeizelle verbrannt: Familie klagt wegen Tod von Oury Jalloh vor Menschenrechts-Gericht
Dessau/Straßburg - Die Familie des 2005 in einer Polizeiwache in Sachsen-Anhalt verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh (†36) zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Der Bruder des Toten habe am Montag Klage eingereicht, teilte ein Gerichtssprecher am Mittwoch in Straßburg mit.
Der Kläger beruft sich demnach unter anderem auf das Recht auf Leben aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, auf das Verbot der Folter und das Diskriminierungsverbot.
Vor mehr als 18 Jahren war der aus Sierra Leone stammende Jalloh gefesselt auf einer Matratze liegend in einer Zelle in Dessau in Sachsen-Anhalt gestorben. Er war betrunken und stand unter Drogen.
Ob er die Matratze selbst anzündete, ist nach zwei Landgerichtsprozessen bis heute unklar.
Nach den Ermittlungen der Behörden soll Jalloh den Brand selbst gelegt haben, obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war.
Sonderermittler stellten zahlreiche Fehler der Polizei und anderer Behörden fest
Ein Polizist wurde 2012 verurteilt, weil er nicht dafür gesorgt hatte, dass der Mann korrekt beaufsichtigt wurde.
In einem 300-seitigen Untersuchungsbericht stellten zwei Sonderermittler zahlreiche Fehler der Polizei und anderer Behörden fest.
Mehrere Initiativen, Freunde und Familie des Gestorbenen sprechen von "Mord" und von "offensichtlichen Missständen und Widersprüchen im Bereich der Polizeiarbeit".
Ein Urteil ist frühestens in einigen Monaten zu erwarten, wohl eher in einigen Jahren.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist von der EU unabhängig. Europarat und Gerichtshof setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein.
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