Vorwürfe sexueller Nötigung: Prozess gegen suspendierten Polizei-Inspekteur beginnt

Stuttgart - Es geht um Macht, Sex, einen möglichen Übergriff und einen folgenreichen Kneipenbesuch: Der Prozess gegen den höchstrangigen Polizisten des Landes, Andreas Renner (49), hat begonnen. Der wehrt sich heftig gegen die Vorwürfe, eine Frau sexuell genötigt zu haben.

Der Prozess gegen den suspendierten Polizei-Inspekteur Andreas Renner (49) hat am heutigen Freitag begonnen. (Symbolbild)
Der Prozess gegen den suspendierten Polizei-Inspekteur Andreas Renner (49) hat am heutigen Freitag begonnen. (Symbolbild)  © Bernd Weißbrod/dpa

Was in dieser Nacht im November 2021 in und um eine Eckkneipe in Bad Cannstatt geschehen ist, darüber gibt es zwei völlig unterschiedliche Versionen.

Die eine stellt Renner als übergriffigen Mann mit schmutzigen Fantasien dar, als einen, der seine Machtstellung gegenüber Untergebenen ausnutzt.

Die andere Version charakterisiert die Polizistin, die ihn beschuldigt, als Lügnerin und als Frau, die die Nähe zu älteren, höhergestellten Männern sucht, um sich Vorteile zu verschaffen. Was ist wahr, was gelogen?

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Klar ist: Was da vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt wird, das gab es so noch nicht. Es geht um Macht, um Sex und #MeToo in höchsten Kreisen.

Seit eineinhalb Jahren nun beschäftigt der Vorfall bei der baden-württembergischen Polizei Politik und Öffentlichkeit.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss nimmt die Vorgänge seit Monaten ins Visier. Am Freitag nun startete der Prozess gegen den mittlerweile suspendierten Inspekteur der Polizei vor dem Landgericht.

Nebenklägerin wirft dem suspendierten Polizei-Inspekteur ebenfalls sexuelle Nötigung vor

Der zu verhandelnde Vorfall ereignete sich in einer Eckkneipe in Bad Cannstatt. (Symbolbild)
Der zu verhandelnde Vorfall ereignete sich in einer Eckkneipe in Bad Cannstatt. (Symbolbild)  © pressmaster/123RF

Eine 34-jährige Kriminalhauptkommissarin, sie ist Nebenklägerin im Prozess, wirft dem Mann sexuelle Nötigung vor.

Rückblick: An einem Freitagnachmittag im November 2021 trifft sie sich mit dem Inspekteur zu einem Gespräch. Es geht um ihre Karriere, die Frau befindet sich im Auswahlverfahren für den höheren Dienst.

Der Inspekteur sagt ihr, die Landespolizeipräsidentin habe ihn gebeten, sie beim Aufstiegsverfahren als "Mentor" zu begleiten, so die Staatsanwältin.

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Die beiden trinken bei dem Treffen eine Flasche Sekt. Immer weiter wird getrunken, auch die besagte Polizeipräsidentin schaut mal vorbei.

Irgendwann geht es mit einem Kollegen in eine Kneipe ums Eck. Am Ende habe der Inspekteur die Polizistin dazu bewegt, noch alleine einen Absacker in besagter Eckkneipe zu nehmen.

In den frühen Morgenstunden veranlasst der Inspekteur die Polizistin laut Anklage in und vor der Gaststätte zur Duldung und Vornahme sexueller Handlungen - "und nutz[t]e hierbei bewusst aus, dass er aufgrund seiner Stellung in der Landespolizei in der Lage war, ihr im Fall des Widerstands erhebliche berufliche Nachteile zu bereiten".

Anwälte verteilten vor Beginn des Prozesses eigene Erklärung des Falles unter Journalisten

Der Prozess trägt sich im Landgericht Stuttgart zu und soll sich über acht Verhandlungstage erstrecken. (Symbolbild)
Der Prozess trägt sich im Landgericht Stuttgart zu und soll sich über acht Verhandlungstage erstrecken. (Symbolbild)  © Marijan Murat/dpa

Die 34-Jährige sei bereits stark alkoholisiert gewesen. Er habe ihr in der Kneipe wiederholt Zungenküsse gegeben, so die Anklage.

Als die beiden nach draußen gingen, habe er ihr dann unvermittelt sein "leicht erigiertes Glied" entblößt, die linke Hand an das Glied geführt und mit der Bemerkung, dass ihn das total scharfmache, gegen die Wand uriniert.

Sie habe Ekel empfunden, sei aber aufgrund des dienstlichen Abhängigkeitsverhältnisses nicht in der Lage gewesen, sich zu widersetzen, so die Staatsanwaltschaft.

Die Anwälte des Inspekteurs zeichnen am Freitag ein ganz anderes Bild. Noch vor Prozessbeginn verteilen sie unter den Journalisten eine zweiseitige, knallgelbe Erklärung, mit der sie zum Gegenangriff übergehen.

Die Anzeigenerstatterin wird darin nicht als wehrloses Opfer, sondern als gestandene Polizistin, als "Berufszeugin" und "Waffenträgerin" dargestellt, die selbst bereits im Bereich der Verfolgung von Sexualdelikten tätig gewesen sei.

Sie soll in dem Verfahren Beweismittel vernichtet und mehrfach gelogen haben. So habe sie in der ersten Vernehmung verschwiegen, dass sie zu einem anderen, deutlich älteren und verheirateten Vorgesetzten im Ministerium seit Monaten ein intimes Verhältnis gehabt habe.

Angeklagter Inspekteur sei Opfer der lokalen Medien und politischen Opposition geworden

Laut Verteidiger sei der Inspekteur von lokalen Medien vorverurteilt worden. (Symbolbild)
Laut Verteidiger sei der Inspekteur von lokalen Medien vorverurteilt worden. (Symbolbild)  © macor/123RF

Auch stehe ein dreistündiges Video aus der Kneipe im eklatanten Widerspruch zu den Aussagen der Frau, so die Verteidiger des Inspekteurs.

Demnach habe sie zahlreiche intime Handlungen "eigeninitiativ" an dem Inspekteur ausgeübt. "Sie suchte und verlangte nach seiner Aufmerksamkeit und Zuneigung", heißt es in der Erklärung.

Der Polizei habe sie gesagt, dass alles vom Inspekteur ausgegangen sei. "Wir haben es hier mit einer Anzeigenerstatterin zu tun, deren beruflicher und persönlicher Lebensweg dadurch geprägt war, dass sie bewusst ältere, höhergestellte Männer suchte, um die Kontakte zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen", heißt es zudem in der Erklärung.

Der Angeklagte sei, laut Verteidiger des Inspekteurs, in dem Verfahren das Opfer und müsse freigesprochen werden - er sei von lokalen Medien und der politischen Opposition vorverurteilt worden.

Rolle der Öffentlichkeit am ersten Prozesstag verhandelt

Der Richter beschloss, dass die Nebenklägerin nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden darf. (Symbolbild)
Der Richter beschloss, dass die Nebenklägerin nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden darf. (Symbolbild)  © lacheev/123RF

Um die Rolle der Öffentlichkeit geht es dann auch am ersten Prozesstag. Nebenklage und Verteidigung streiten, inwieweit die Presse und das Publikum am Prozess teilnehmen dürfen.

Der Richter entscheidet, dass die Nebenklägerin nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden darf.

Das Recht auf Schutz der Intimsphäre überwiege gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit an dem Fall. Am Nachmittag sollte allerdings in öffentlicher Sitzung das Video aus dem Kneipenbesuch gezeigt werden.

Denn was in der Kneipe geschah, so die Argumentation des Richters, geschah zumindest an einem öffentlichen Ort - im Gegensatz zu den Geschehnissen vor der Tür.

Die Strafkammer hat acht Verhandlungstage für den Prozess angesetzt.

Titelfoto: Bernd Weißbrod/dpa

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