Krawalle von Stuttgart: 100 Jahre an Haftstrafen verhängt!
Stuttgart - Eingeschlagene Scheiben, geplünderte Geschäfte, angegriffene Polizisten: Die Bilder der Stuttgarter Krawallnacht gingen im vergangenen Sommer um die Welt. Knapp ein Jahr später zieht die Regierung nun Bilanz.
Im beschaulichen Stuttgart herrschte in der Nacht auf den 21. Juni 2020 plötzlich Krieg, wie ein Polizeibeamter damals kommentierte. "Wir befinden uns gerade heute Nacht wirklich im Krieg."
Hunderte junger Männer randalierten damals in der Neckarstadt, plünderten Geschäfte, attackierten die Polizei. Die meisten der Angreifer damals hatten einen Migrationshintergrund.
Unter anderem skandierten die Krawallbrüder "Allahu Akbar" oder "Fuck the Police", Polizeibeamte wurden auch direkt als "Hurensöhne" beschimpft.
Zahlreiche Videos machten im Netz die Runde, belegten die Schande von Stuttgart. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung litt durch den Vorfall.
Am heutigen Freitag, kurz vor dem Jahrestag, meldeten sich Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (61, CDU) und Justizministerin Marion Gentges (50, CDU) zu Wort und zogen Bilanz.
"Ein Jahr nach der Stuttgarter Krawallnacht können wir feststellen: Dank der intensiven und akribischen Arbeit unserer Polizei konnten bislang mehr als 140 Tatverdächtige ermittelt werden", wird Strobl in einer Mitteilung zitiert. "Rund 100 Jahre Freiheitsstrafe wurden bisher durch die Gerichte verhängt – davon 40 Jahre ohne Bewährung."
Justizministerin schockiert über Gewalt
Seit der Krawallnacht hätten Richter gegen 83 Tatverdächtige Haftbefehle erlassen – etliche davon gingen nach Stammheim in U-Haft.
Bei der Identifizierung der Tatverdächtigen halfen demnach sogenannte Super-Recognizer. Also Beamte, die über herausragende Fähigkeiten bei der Einprägung und Wiedererkennung von Gesichtern oder nur einzelnen Gesichtspartien verfügen.
Gentges bezeichnete die Bilder aus dem vorigen Sommer, "diese Zerstörungswut und Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten" als schockierend.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe Ermittlungsverfahren gegen über 150 Beschuldigte eingeleitet. "Derzeit sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart noch elf Verfahren anhängig", so die 50-Jährige. "Gegen 83 Personen sind an den Gerichten innerhalb eines Jahres bereits Urteile ergangen."
Davon seien Urteile gegen 65 Personen bereits rechtskräftig, 21 erstinstanzliche Verfahren gegen 24 Personen bei den Gerichten derzeit noch anhängig.
Diese Zahlen zeigten: "Auf die Justiz im Land ist Verlass. Die Staatsanwaltschaft hat rasch und gründlich ermittelt und die Gerichte haben zügig Urteile gefällt und Recht gesprochen."
Sicherheits-Maßnahmen nach der Randale
Im Nachgang der Krawallnacht wurde am 2. Juli 2020 eine Sicherheitspartnerschaft zwischen der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg geschlossen.
"Diese Partnerschaft hat sich ein zentrales und nicht verhandelbares Ziel gesetzt", so Strobl: ein sicheres Stuttgart für alle Bürger.
Von den insgesamt zehn Maßnahmen seien einige bereits umgesetzt worden, etwa Brennpunkt-orientierte Präsenzstreifen, konsequentem Vorgehen gegen Mehrfach- und Intensivtäter und ein neues Beleuchtungskonzept.
Ein weiterer präventiver Baustein der Sicherheitspartnerschaft: Videoüberwachung an Orten in der Innenstadt, "die eine höhere Kriminalitätsbelastung aufweisen".
Dies soll Bürgern künftig als Schutz dienen, aber auch potenzielle Randalierer abschrecken. Zunächst soll dafür die bestehende Video-Anlage des Finanzministeriums in Richtung Eckensee und Schlossplatz nutzbar gemacht werden. "Diese Punkte werden bei Bedarf um weitere, stationäre Videoüberwachungspunkte ergänzt und ausgeweitet", heißt es in der Pressenotiz.
Übrigens: Die Ausschreitungen in Stuttgart blieben im vergangenen Sommer nicht einzigartig. Nur kurze Zeit später randalierten junge Männer am Opernplatz in Frankfurt.
Update: 13.20 Uhr
OB Noppert verteidigt Linie von Justiz und Polizei
In einer Mitteilung des Rathauses bezeichnete Stuttgarts OB Frank Nopper (60, CDU) die "harte und klare Linie von Polizei und Justiz" als richtig.
"Die Probleme lassen sich nicht von heute auf morgen lösen", betonte der Rathauschef. "Wir werden einen langen Atem brauchen."
Von Seiten der Polizei werde verstärkt auf Kommunikation und frühzeitige Ansprache der feiernden jungen Leute gesetzt.
Dadurch soll einem Aufschaukeln der Stimmung vorgebeugt und Verständnis geweckt werden.
Titelfoto: 7aktuell.de/Simon Adomat