Prozess zum Großröhrsdorfer Kirchenbrand: Was bleibt, sind Sack und Asche
Großröhrsdorf - Die Bilder der lichterloh brennenden Kirche von Großröhrsdorf, die züngelnden Flammen im Gebälk von Dachstuhl und Turm, schockierten letzten Sommer ganz Deutschland. In der Nacht zum 4. August war das Gotteshaus von einem Brandstifter mutwillig angezündet worden, brannte komplett aus. Am Montag nun beginnt der Prozess gegen einen 41-jährigen Tatverdächtigen aus der Region. Die Beseitigung der Schäden wird dagegen noch Jahre in Anspruch nehmen.
Ortstermin in Großröhrsdorf. Die Straße zur Kirche ist gesperrt. Schon von Weitem erkennt man, dass dem Turm die obere Hälfte fehlt. Arbeiter in dicken Jacken und mit Helm wuseln durchs Eingangsportal in die Kirche rein und wieder raus.
Eimerweise wird Schutt herausgeschleppt, draußen auf sogenannte "Big Packs" (reißfeste Plastiksäcke) verteilt. "Etwa 400 Stück sind es schon", sagt Lutz Schneider (63) von der Firma Belfor, der die Sanierungsarbeiten vor Ort leitet.
"Erst war die Kriminalpolizei hier, hat Spuren gesichert", sagt Schneider, "dann kamen wir."
Mittlerweile steht ein Gerüst rings um die Kirche. Da es nicht in der Kirchenwand verankert werden darf, ist es mit schweren Betonquadern gegen das Umfallen gesichert.
Flammen zerstörten Altar, Orgel oder Kanzel
Weil das Dach komplett eingestürzt war, sicherte die Firma zunächst die Oberkante der Außenmauern gegen eindringende Nässe - der Frost hätte das Mauerwerk sonst sprengen können. Seit letzter Woche schützt zudem ein Notdach vor Regen und Schnee.
Nicht aber vor Wind und Kälte. Im trostlos leeren Kirchenschiff, eingeweiht im Jahre 1736, zieht es durch die großen Fensteröffnungen. Kein Wunder - Glas und Rahmen gibt es nicht mehr. Ebenso wenig Altar, Orgel oder Kanzel. Alles, auch die Bänke und die Emporen, wurde ein Raub der Flammen.
Zwar wurde in der Asche noch akribisch nach sakralen Schätzen gesucht, doch war fast nichts Verwertbares dabei. "Außerdem wurden letzte Woche Proben des Brandschutts entnommen", berichtet Lutz Schneider. Nur wenn die Laborwerte den als unbedenklich einstufen, kann mit der Entsorgung der vielen Säcke bald begonnen werden.
Momentan stehen die noch dicht gedrängt vor und neben der Kirche. Kunststoffmatten sorgen dafür, dass Baufahrzeuge die Fläche nicht in eine Schlammwüste verwandeln. Weiter vorne, neben einem alten Familiengrab, lagert ein klobiges Gestänge.
Noch ist unklar, wann die Kirche wieder aufgebaut wird
Das rostige Metall ist durch die Hitze völlig verformt. "Der Glockenstuhl", erklärt Lutz Schneider, der dieses Jahr noch in den Vorruhestand geht und einen solchen Job auch noch nicht hatte. Die Glocken selbst, vier an der Zahl, stehen vor der Kirche und sollen dort auch später einmal ausgestellt werden - wenn das Gotteshaus wieder aufgebaut und saniert ist.
Wann das sein wird, weiß derzeit niemand. Bohrungen in den Außenmauern zeugen davon, dass erst die Statik geprüft werden muss. Drähte und Leitungen ragen aus dem groben, teils abgesprengten Putz. Rußflecken und Löcher überziehen den Kirchenboden. Wo einst der Herr im Himmel angerufen wurde, hat sich ein Bild der Hölle aufgetan ...
Zur Schadenshöhe fehlen derzeit konkrete Zahlen. Die Versicherung halte sich "noch bedeckt", wie die zuständige Mitarbeiterin des Kirchgemeindebundes, Wilma Wagner, uns erklärt. Pfarrer Stefan Schwarzenberg lehnt Stellungnahmen zu "seiner" abgebrannten Stadtkirche derzeit gänzlich ab, wohl in Absprache oder auf Bitte des Kirchenvorstands.
"Ich bitte um Verständnis", heißt es nur mit Verweis auf eine Webseite, die immerhin den derzeitigen Spendenstand anzeigt. 428.000 Euro sind demnach bis Mitte Januar schon zusammengekommen. Geld für (wiederauf-)bauliche Extras, die von der Versicherungssumme eher nicht gedeckt sein werden.
Bitter: Erst in den Jahren 2012 bis 2017 war die Stadtkirche Großröhrsdorf innen und außen umfangreich saniert worden.
Fakten zur Kirche
Die barocke Saalkirche zählte vor dem Brand zu den schönsten ihrer Art in der Oberlausitz.
Innen standen an den Längsseiten hölzerne Doppelemporen, vermutlich trugen sie die Flammen bis in den Dachstuhl weiter.
Die fünfeckige Kanzel stammte noch aus dem 18. Jahrhundert. Der Altar war eine Nachbildung des Altars aus der Leipziger Thomaskirche.
Die prächtige Orgel war für den Kirchenbau ungewöhnlich groß, auch ein Gospel-Chor gab hier regelmäßig Konzerte. Rund 1400 Mitglieder zählt die Gemeinde.
So läuft der Prozess ab
Am Montag beginnt in der Bautzner Lessingstraße am Landgericht Görlitz, Außenkammer Bautzen, die Verhandlung gegen den Tatverdächtigen Maik H. (41).
Ihm wird dann vorgeworfen werden, den Brand ausgelöst zu haben, indem er erst ein Kirchenfenster einschlug und dann ein Benzingemisch in der Kirche entzündete.
Als Motiv für die Tat vermutet die Staatsanwaltschaft Wut auf die Kirche, was aber auch mit der persönlichen Situation und der kaputten Ehe des Angeklagten zusammenhängen soll.
Vom Gericht wurden zunächst fünf Verhandlungstage angesetzt (drei in der kommenden Woche, zwei Ende Februar). Ob so viele tatsächlich nötig sein werden, hängt laut Gerichtssprecher Reinhard Schade "auch vom Angeklagten und der Verteidigung ab".
Ungewöhnlich: Selbst der Rechtsanwalt des Angeklagten wusste Mitte dieser Woche noch nicht, ob der sich zur Tat äußern bzw. diese einräumen wird. Anwalt Florian Berthold (61): "Aus Sicht der Verteidigung ist der Ablauf des Verfahrens völlig offen."
Titelfoto: Montage: xcitepress, Norbert Neumann (3)