Musikerin verklagt Sachsen: Überraschender Ausgang im Neigel-Prozess
Von Jakob Anders, Thomas Staudt
Bautzen - Geimpft? Getestet? Genesen? - Diese Begriffe haben sich eingebrannt, führen zurück in die dunkle Zeit der Corona-Lockdowns. Gerade da, im November 2021, reichte Pop-Rockerin Julia Neigel (57) Klage gegen den Freistaat Sachsen ein: abgesagte Konzerte, verlorene Einnahmen, verletzte Menschenrechte. Am heutigen Donnerstag war Prozess am Oberverwaltungsgericht Bautzen. Mit überraschendem Ausgang!
Mehr als zwei Stunden vorm Termin versammelten sich bereits die ersten Fans vor dem Gerichtsgebäude. Ihre Heldin, die "Schatten an der Wand"-Sängerin Julia Neigel, kam 26 Minuten vor Prozessbeginn.
"Danke für deinen Mut, Julia", "Wir brauchen dich" oder "Weiter so" riefen ihr einige der mittlerweile rund 100 Anhänger von der Gerichtstreppe entgegen. Die bescheidene Antwort der Sängerin: "Ich bin als eine von vielen hier. Ich danke euch von Herzen, dass ihr alle da seid."
Aber sie machte auch ihren Standpunkt deutlich: "Kulturelle Teilhabe ist Menschenrecht. Während Kirchen und Baumärkte geöffnet hatten, durften Künstler in Kultur-Lockdowns nicht arbeiten und Menschen verloren gültige Tickets für Konzerte. Kunst ist systemrelevant. Dafür bin ich für alle anderen hier!"
Beim Betreten des Gerichtssaals die gleiche Situation: Applaus für Neigel.
Nach kurzer Zeit fällt eine Entscheidung im Prozess-Verlauf
Über die Hälfte ihrer Fans fand derweil keinen Platz, musste draußen warten. Dann aber die Überraschung. Bereits nach vier Minuten wurde die Sitzung unterbrochen.
"Wir stellen aufseiten der Klägerin einen Gewerkschaftsvertreter fest und müssen prüfen, ob wir die Gewerkschaft für dieses Verfahren anerkennen können", so der Vorsitzende Richter Georg von Welck (63). Das Gericht zog sich zurück.
Außerdem hatte sich "Team Neigel" erst am Vorabend formiert. Mithin formal zu spät, damit der angeklagte Freistaat sich darauf hätte vorbereiten können. Und so wurde um 11.20 Uhr bekannt gegeben, dass die Gerichtsverhandlung auf Ende dieses Jahres verlegt wird.
Gegen 12 Uhr erreichte auch Marcel Luthe (45), der Bundesvorsitzende jener Gewerkschaft, das Gericht. Er stand zuvor im Stau: "Ich bin sehr überrascht von der Entscheidung, habe aber auch größtes Verständnis. Der Fall Neigel hat Symbolcharakter. Da sollte rechtlich alles klar sein."
Corona-Maßnahmen: Am Anfang war viel Regel-Wirrwarr
Viele der während der Corona-Pandemie verfügten Verbote wirken (nicht nur) aus heutiger Sicht wenig schlüssig. Auszüge:
- 2020 wurden kurzzeitig die Spielplätze gesperrt - Aufenthalt und das Spielen waren verboten.
Verunsicherung bescherten immer wieder unterschiedliche Regelungen zur Maskenpflicht im Fernverkehr der Bahn und in den Regionalzügen.
In den Hochzeiten der Pandemie galten vor und nach dem Jahreswechsel in Sachsen und bundesweit strikte Kontaktverbote, zu Weihnachten wurden sie jedoch gelockert. Ähnlich darf das "Böllerverbot" zu Silvester eingestuft werden.
Vielleicht am verwirrendsten waren eine ganze Reihe von Maßnahmen, die die Bundesländer trafen und die an der jeweiligen Landesgrenze endeten.
Auch eine Maskenpflicht im Freien, in Fußgängerzonen, würde heute wohl keine Regierung mehr verfügen.
Was die Maßnahmen aber auch zeigten: Wo sich viele an die Abstandsregeln hielten und sich impfen ließen, war die Zahl der Todesfälle durch Corona relativ gering. In Sachsen war sie relativ hoch.
Titelfoto: Thomas Türpe