Drei Anwälte im Schlepptau: Julia Neigel verklagt Freistaat wegen Corona-Regeln
Bautzen - Abgesagte Konzerte, verlorene Einnahmen, verletzte Menschenrechte: Im November 2021 kämpfte auch Pop-Rockerin Julia Neigel (57) gegen Corona-Auflagen und verklagte den Freistaat Sachsen. Nachdem der erste Prozess im Juli aufgrund formeller Fehler vertagt wurde, fand Donnerstag der zweite Teil am Oberverwaltungsgericht in Bautzen statt.
Überraschung gleich zu Beginn: Das dreiköpfige Anwaltsteam der Sängerin reichte einen Antrag wegen "Befangenheit" gegen den Vorsitzenden Richter Freiherr von Welck (64) ein.
Dieser lasse aufgrund seiner vergangenen Urteile, die mit Regelverstößen während der Pandemie zusammenhingen, die gebotene Neutralität vermissen: "Damit hat der Vorsitzende Richter selbst gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, für die wir hier einstehen", behaupteten die Anwälte Neigels.
Richter von Welck suchte leicht lächelnd Blickkontakt zu seinen Kollegen: "Ich schaue in die Runde, und ich glaube nicht, dass wir befangen sind." Dennoch zog sich das Gericht zurück und gab nach kurzer Zeit bekannt, im Anschluss an den Prozess hinsichtlich Befangenheit zu urteilen.
Es folgte das Statement von Julia Neigel: "Wir fordern Entschädigung für die abgesagten Konzerte im November und Dezember 2021 sowie im Frühjahr 2022. Darüber hinaus klagen wir im Namen der ebenso betroffenen Bürger und gegen eine Wiederholungsgefahr."
Staatsanwalt unterstellte Sängerin Neigel "taktisches Vorgehen"
Die Sängerin legte zudem ausgedrucktes Bildmaterial von der Internetseite des Freistaates vor: "Vier Tage in Folge war nur ein Entwurf im Internet zu finden und somit keine Verordnung, die rechtsgültig ist." Das Gericht nahm das Bildmaterial zu den Beweisen auf.
Der Staatsanwalt glaubte nicht, dass Konzerte im Frühjahr geplant waren, unterstellte der Sängerin aufgrund fehlender Beweise taktisches Vorgehen.
Die Klage der Sängerin lehnte er insgesamt ab, weil sie erst am 24. November eingereicht worden sei, der Freistaat Sachsen aber seine Corona-Regeln bereits am 20. November geändert hatte: "Wer soll denn an einem Samstag um Mitternacht nachschauen, welche Regeln gerade gelten?", polterte Neigel mit Blick zum Staatsanwalt.
Richter von Welck schloss den Prozess. Urteil folgt. Julia Neigel zeigte sich erleichtert: "Dass ich meine Beweise vorlegen und für unser aller Recht einstehen durfte, fühlt sich gut an."
Titelfoto: Bildmontage: Jens Kaczmarek/LausitzNews, Robert Michael/dpa