Ein Zwilling auf der Flucht, ein Zwilling vor Gericht: Planten die Schwestern den Mord am Ex?
Halle (Saale) - Hat Nancy S. (42) zwei Mordversuche wegen eines Sorgerechts-Streits begangen? Fest steht: Ihr Ex-Partner Michael S. (39) ist mit mehreren Stichen in Rücken und Bauch lebensbedrohlich verletzt worden - im Beisein der gemeinsamen Tochter Maria (3). Und dann gibt es noch Nancys verschwundene Zwillingsschwester ...
Am heutigen Dienstag startete der Prozess wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Halle.
Laut Anklage manipulierte Nancy S. gemeinsam mit ihrem geflüchteten Zwilling Kathy S. am 20. Oktober 2021 die Elektroanlage auf dem Hof-Grundstück ihres ehemaligen Lebensgefährten.
Demnach das Ziel: ein tödlicher Stromschlag beim Öffnen des Scheunentores. Doch Michael S. habe ein Kabel bemerkt, sei stutzig geworden - und alarmierte schließlich die Polizei.
Im zweiten Fall soll die Angeklagte am 17. Mai 2022 zusammen mit ihrer Schwester in einem Mietwagen Ex-Mann und Tochter verfolgt haben, um die Dreijährige in ihre Gewalt zu bringen.
Als der Vater am Straßenrand die Windeln des Kindes gewechselt habe, soll eine der Schwestern mit einer Vorderlader-Pistole in die Luft geschossen und Nancy S. anschließend auf den 39-Jährigen eingestochen haben. Die Waffe: ein Jagdmesser mit zehn Zentimeter langer Klinge.
Dabei seien dem Opfer das Zwerchfell und die Hauptschlagader im Unterarm durchtrennt sowie die Lunge verletzt worden - Not-OP!
Staatsanwältin: "Hielt das Kind trotz des Angriffs fest im Arm"
Nancy S. habe versucht, dem Vater das gemeinsame Kind zu entreißen, der Maria "trotz des Angriffs fest im Arm hielt", so die Staatsanwältin weiter.
Die Angeklagte ließ am ersten Verhandlungstag durch ihren Verteidiger eine Erklärung verlesen: Sie habe sich im Streit um das Sorgerecht ungerecht behandelt gefühlt und Angst um ihre Tochter gehabt.
Während sie mit der Tat im Oktober nichts zu tun habe - sie vermute, Michael S. sei selbst verantwortlich - gestand sie in Bezug auf den zweiten Fall: Sie habe Maria zu sich holen wollen.
Mit einer Perücke verkleidet habe sie mit dem Ziel, ihren Ex-Freund zu erschrecken und ihm in diesem Moment das Kind abnehmen zu können, in die Luft geschossen.
Doch der Mann sei schimpfend und brüllend zu seinem Auto gelaufen und habe sich hineingebeugt. Ihre Befürchtung: Er könnte eine Waffe holen - also habe sie zugestochen.
Im Fall einer Verurteilung droht eine lebenslange Haftstrafe. Der Prozess wird fortgesetzt. Nach der untergetauchten Zwillingsschwester Kathy S. wird gefahndet.
Titelfoto: Carolina Neubert