Urteil im Raser-Mord-Prozess steht kurz bevor: Jungen Männern drohen lange Haftstrafen!
Aachen - Der Unfall mit einem getöteten, acht Jahre alten Mädchen ist bald zwei Jahre her. Am Landgericht Aachen steht das Urteil bevor.
"Man sollte dir echt langsam den Führerschein abnehmen", tönt eine unbekannte Frauenstimme vom Band. Der kurze Mitschnitt einer Sprachnachricht hallt wie viele weitere durch den Saal im Aachener Landgericht.
Es geht um Mord und versuchten Mord. Auf der Anklagebank sitzen zwei junge Männer, 20 und 21 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, bei einem illegalen Autorennen in der Eifel einen tödlichen Unfall verursacht zu haben.
In dieser Woche soll der Prozess zu Ende gehen: Für Mittwoch sind die Plädoyers, für Donnerstag ist das Urteil geplant.
Unstrittig ist, dass es durch ein riskantes Überholmanöver der Angeklagten auf einer Landstraße in einem Wald südlich von Aachen einen Frontalzusammenstoß gab, bei dem ein acht Jahre altes Mädchen starb.
Drei Erwachsene erlitten schwere Verletzungen, darunter der heute 20-jährige Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden jungen Männern vor, den kurzfristigen Adrenalin-Kick über anderes Leben gestellt zu haben.
Zum Zeitpunkt des Unfalls am 3. August 2020 waren sie 19 Jahre alt.
Unfallfahrer entschuldigte sich unter Tränen bei Familie des Todesopfers
Die jungen Männer sind befreundet, äußerlich ähneln sie sich. Beide haben kurze Haare und tragen enge Hemden. In Verhandlungspausen gehen sie zum Rauchen vor die Tür.
Wegen ihres jungen Alters dürfen sie nicht fotografiert oder gefilmt werden, nur Presse darf im Saal sein.
In neun Verhandlungstagen hat die 1. große Jugendkammer etwa 40 Zeugen und zwei Gutachter gehört. Die befragten Freunde rasselten die Typen und Marken der von den Angeklagten gefahrenen Autos nur so herunter.
"Ihm gefallen Autos", sagte ein junger Mann aus einer offensichtlich autobegeisterten Szene der ländlichen Umgebung von Aachen. Aber von Rennen in der Eifel wisse er nichts, sagte der Zeuge - wie andere nach ihm.
Zu Prozessbeginn entschuldigte der Jüngere als Unfallfahrer sich unter Tränen bei den Angehörigen des Mädchens. Als ihm die Stimme wegkippte, führte der Anwalt für den 20-Jährigen fort, er habe den Unfall nicht bewusst provoziert.
Zu den Vorwürfen sagten die Angeklagten nichts.
Den beiden Angeklagten könnten bis zu zehn Jahre Haft drohen
Die Sprachnachrichten, die sie über Monate untereinander und mit Freunden austauschten, wurden jedoch gehört im Gerichtssaal.
Darin ging es immer wieder um Autos und Automarken, um Spoiler und Tempokontrollen. Videos von Autofahrten mit röhrenden Motoren wurden gezeigt. Die jungen Männer überlegten, ob man durch Auslandseinsätze bei der Bundeswehr viel Geld für schnelle Autos verdienen könne.
Auch Sprachnachrichten des 21-Jährigen vom Tag des schlimmen Unfalls wurden gehört. Er hatte als Erster überholt und noch knapp wieder einscheren können. Sekunden später prallte sein nachfolgender Freund mit seinem Wagen frontal in das entgegenkommende Auto.
Das sei ein "idiotischer Move" gewesen, sagte der unverletzt gebliebene 21-Jährige in einem Chat. Laut Anklage überholte er mit Tempo 130 auf der kurvenreichen Strecke, wo maximal 70 Kilometer pro Stunde erlaubt sind.
Die individuelle Reife der Angeklagten ist maßgeblich dafür, ob beim Urteil Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird. Zu Prozessbeginn gab es eine vorläufige Einschätzung für die Anwendung von Jugendstrafrecht.
Für den wegen Mordes angeklagten 20-Jährigen und den wegen versuchten Mordes angeklagten 21-Jährigen wären dann zehn Jahre Haft die höchste mögliche Strafe.
Titelfoto: Dagmar Meyer-Roeger/dmp press/dpa, Oliver Berg/dpa (Bildmontage)