Maddie-Verdächtiger vor Gericht: Prozess vertagt, postete Schöffin einen Aufruf zum Mord?
Braunschweig - Weil eine Schöffin in sozialen Medien einen Aufruf zum Mord verbreitet haben soll, ist der Sexualdelikts-Prozess gegen den Maddie-Verdächtigen am Landgericht Braunschweig vertagt worden.
Dem 47 Jahre alten Christian B. werden drei schwere Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch von Kindern in zwei Fällen vorgeworfen.
Die Taten soll der Angeklagte in Portugal begangen haben.
Zu Beginn der Verhandlung am Freitag hatte Verteidiger Friedrich Fülscher einen Befangenheitsantrag gegen eine ehrenamtliche Richterin gestellt. Sie soll in sozialen Medien einen Aufruf zum Mord an dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro verbreitet haben.
Nach etwa 40-minütiger Beratung schloss sich die Staatsanwaltschaft dem Befangenheitsantrag an. "Die Äußerungen stehen außerhalb unserer Rechtsordnung", sagte Oberstaatsanwältin Ute Lindemann.
Ein Aufruf zum Mord und Totschlag sei etwas, "was wir hier nicht dulden". Es werde geprüft, ob ein Strafverfahren gegen die Schöffin eingeleitet werde.
Der Prozess gegen Christian B. geht am Freitag in einer Woche (23. Februar) weiter. Dann könnte die Verlesung der mehr als 100-seitigen Anklageschrift auf dem Programm stehen.
Prozessauftakt mit hohen Sicherheitsvorkehrungen
Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hatte am Freitag der Prozess gegen den im Fall Maddie mordverdächtigen Deutschen wegen fünf Sexualstraftaten begonnen.
Dem 47 Jahre alten Christian B. werden drei schwere Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch von Kindern in zwei Fällen vorgeworfen.
Der Angeklagte Christian B. betrat den Saal im Landgericht Braunschweig bekleidet mit einem fliederfarbenen Hemd mit weißen Streifen und einem hellgrauen Sakko.
Der dunkelblonde, schlanke Mann verdeckte nicht sein Gesicht und wirkte gefasst. Er nahm zwischen seinen vier Verteidigern Platz.
Der 47-Jährige war zuvor mit einem Gefängnistransporter nach Braunschweig gebracht worden.
Großes Medieninteresse sorgt für Verzögerung
Der Andrang vor dem Landgericht Braunschweig war am Freitagmorgen so groß, dass der ursprünglich geplante Auftakt um 9 Uhr nicht eingehalten werden konnte, wie dpa-Reporter berichteten.
Vor dem Gebäude bildeten sich lange Schlangen, vor dem Betreten mussten sich Medienleute sowie Besucherinnen und Besucher aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen unterziehen.
Derzeit sitzt der 47-Jährige eine Gefängnisstrafe wegen einer anderen Vergewaltigung ab. Verurteilt wurde er Ende 2019 wegen einer Tat, die sich 2005 ebenfalls in Praia da Luz ereignet hatte - dem Ort, wo 2007 die dreijährige Madeleine McCann verschwand.
Das Landgericht Braunschweig ist zuständig, weil Christian B. in der niedersächsischen Stadt seinen letzten deutschen Wohnsitz hatte. Zeugen waren nach Angaben einer Gerichtssprecherin für den ersten Prozesstag noch keine geladen.
Während die Staatsanwaltschaft Braunschweig eine Verurteilung des Angeklagten mit Blick auf alle angeklagten Taten anstrebt, geht Verteidiger Friedrich Fülscher von der Unschuld seines Mandanten aus und will Freisprüche erreichen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Maddie aus Großbritannien seit 2007 vermisst
Im Juni 2020 hatten deutsche Ermittler überraschend bekannt gegeben, dass sie den vorbestraften Sexualstraftäter im Fall der seit 2007 vermissten Maddie aus Großbritannien unter Mordverdacht haben.
Die damals dreijährige Britin Madeleine McCann war im Mai 2007 im portugiesischen Praia da Luz an der Algarve aus einer Ferienanlage verschwunden.
Der Fall sorgte weltweit für Schlagzeilen, ist aber nicht Gegenstand des aktuellen Prozesses in Braunschweig.
Seit Freitag muss sich Christian B. wegen fünf Sexualstraftaten vor Gericht verantworten.
Unter anderem soll er 2004 eine damals 20 Jahre alte Frau aus Irland in einem Appartement in Portugal vergewaltigt haben.
Erstmeldung um 10.23 Uhr, zuletzt aktualisiert um 11.37 Uhr
Titelfoto: Julian Stratenschulte/dpa Pool/dpa