Ex-Möbelhaus-Chef wegen Milliarden-Skandal vor Gericht
Oldenburg - Im milliardenschweren Bilanzskandal bei dem internationalen Möbelkonzern Steinhoff müssen sich der frühere Konzernchef Markus Jooste (62) und ein Treuhänder von kommendem Dienstag an in Oldenburg vor Gericht verantworten.
Verhandelt wird am Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Chef Anstiftung in fünf Fällen und dem Treuhänder Beihilfe in vier Fällen zur Bilanzmanipulation in Milliardenhöhe vor.
Das Bekanntwerden von Manipulationen Ende 2017 vernichtete damals den Börsenwert des Unternehmens fast vollständig. Steinhoff hat seine Wurzeln in Westerstede in Niedersachsen. Die weltweit agierende Steinhoff International Holdings hat heute aber ihren Hauptsitz in Amsterdam und wird von Südafrika aus gesteuert.
Anlass für die falschen Angaben in den Bilanzen waren laut der Anklage Gewinnvorstellungen von Jooste, die durch das reguläre Geschäft nicht erreicht werden konnten, wie eine Gerichtssprecherin sagte.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern vor, von Juli 2011 bis Januar 2015 Buchgewinne aus Scheingeschäften in die Bilanzen konzernzugehöriger Gesellschaften hineingeschrieben zu haben. Dabei sollen auch zwei frühere Geschäftsführer einer deutschen Tochtergesellschaft geholfen haben.
Mit diesen Scheingeschäften soll die Bilanz um mehr als 1,5 Milliarden Euro aufgehübscht worden sein. Hinzu kommen laut Staatsanwaltschaft nochmals 820 Millionen Euro durch eine überhöhte Darstellung erworbenen Immobilienvermögens.
Zu dem Prozess werden sowohl der Südafrikaner Jooste als auch der 72 Jahre alte britische Treuhänder erwartet. Zum Auftakt soll die Anklage verlesen werden - dies dürfte mehrere Stunden dauern.
Ermittlungen begannen bereits 2017
Das Verfahren gegen die deutschen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft wegen Bilanzmanipulation wurde aus organisatorischen Gründen abgetrennt. Es soll am 3. Mai in Oldenburg beginnen.
Der Prozess vor dem Oldenburger Gericht dreht sich allein um die falschen Darstellungen in den Bilanzen. "Es geht nicht um einen Schaden, der entstanden ist", betonte die Gerichtssprecherin. Bilanzfälschung sei eine Straftat. Jooste weist nach früheren Berichten die Vorwürfe zurück.
Die von Firmengründer und Namensgeber Bruno Steinhoff aus Westerstede aufgebaute Gruppe galt lange als Europas zweitgrößter Möbelkonzern. In Deutschland war Steinhoff für die Möbelkette Poco bekannt, die mittlerweile an den Konkurrenten XXXLutz verkauft worden ist.
Seit Ende 2017, als die Ermittlungen wegen der Bilanzunregelmäßigkeiten begannen, steckt der Konzern in einer Krise. Im Dezember 2017 brach der Aktienkurs des Steinhoff-Konzerns um mehr als 90 Prozent ein. Milliarden von Anlagegeldern gingen verloren. Jooste musste gehen.
Viele dieser Anleger saßen in Südafrika, darunter auch Rentenfonds. Derzeit erarbeitet die Steinhoff International Holdings nach eigenen Angaben einen Umschuldungsplan nach niederländischem Konkursrecht. Er soll bis zum 17. April stehen. Im März hatten Steinhoff-Aktionäre einen vorherigen Plan zur Schuldenrestrukturierung abgelehnt. Das Unternehmen muss einen Schuldenberg von 10,2 Milliarden Euro abbauen.
Anfang 2022 hatte Steinhoff sich im Zuge einer Sammelklage bereiterklärt, 1,2 Milliarden Euro an geschädigte Anleger zu zahlen. Drei Jahre zuvor hatte die südafrikanische Finanzaufsicht FSCA wegen falscher, irreführender und trügerischer Angaben eine Strafe in Höhe von 1,5 Milliarden südafrikanischen Rand (74,8 Millionen Euro) verhängt. An der Frankfurter Börse notieren Steinhoff-Aktien in diesen Tagen bei etwas über einem Cent.
Titelfoto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa