Domkantor überlegt, mit seinem Mann ein Kind zu bekommen: Kirche schmeißt ihn raus
Braunschweig - Der Braunschweiger Domkantor verlor seinen Job, nachdem seine Überlegung bekannt wurde, zusammen mit seinem Ehemann per Leihmutterschaft ein Kind zu bekommen. Gegen die Kündigung wehrte sich der Musiker vor Gericht - und darf nun auf eine Rückkehr hoffen.
Erleichtert umarmt Domkantor Gerd-Peter Münden (56) im Gerichtssaal seinen Ehemann: Im Streit um eine Leihmutterschaft hat sich der Kirchenmusiker erfolgreich gegen den Rauswurf durch die evangelische Landeskirche Braunschweig gewehrt.
Vor Monaten waren Gedankenspiele des homosexuellen Paares bekannt geworden, sich so möglicherweise ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Die Kündigung durch die Kirche erklärte das Arbeitsgericht Braunschweig am Donnerstag für unwirksam.
Bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens müsse die Kirche den 56-Jährigen weiterbeschäftigen. "Die Kammer meint, dass der Kläger sich lediglich einen Denkprozess offengehalten hat und erkennt darin keinen schwerwiegenden Pflichtverstoß", sagte Gerichtssprecher Steffen Lieske zur Begründung.
Das Gericht sehe daher keine rechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung. Das Offenhalten sei kein Verstoß gegen die Loyalitätspflicht, sondern von der Meinungsfreiheit des Klägers gedeckt.
Die Kirche hatte Münden im März entlassen, weil er eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen wollte, die nach Auffassung der Landeskirche kommerzieller Art ist. Dagegen klagte der bekannte Kirchenmusiker und bekam in erster Instanz Recht. "Ich bin unglaublich glücklich und dankbar dafür, dass wir in einem Rechtsstaat leben", sagte Münden nach dem Urteil.
Er gilt wegen seines bundesweit erfolgreichen Schulprojekts "Klasse! Wir Singen" als überregional bekannt. In Braunschweig ist sein Fall seit Monaten Stadtgespräch.
Münden betonte mehrmals, dass - wenn überhaupt - nur eine altruistische Leihmutterschaft, also eine nicht-kommerzielle Variante für ihn und seinen kolumbianischen Ehemann in Frage komme.
Paar reiste nach Kolumbien: Zahlung von 5000 Euro soll im Raum gestanden haben
Im Januar war das Paar nach Kolumbien gereist, um einen möglichen Ablauf zu klären. Die Zahlung von 5000 Euro soll dabei als finanzielle Entschädigung im Raum gestanden haben. Auf die Unterscheidung, ob es um eine kommerzielle oder nicht kommerzielle Leihmutterschaft gehen könnte, sei es für das Gericht gar nicht angekommen, weil Münden sich noch in einem Denkprozess befunden habe, sagte Gerichtssprecher Lieske.
Zum Thema Leihmutterschaft schreibt das Auswärtige Amt, dass in Deutschland Tätigkeiten von Ärzten im Zusammenhang damit verboten sind. Auch die Vermittlung sei unter Strafe gestellt. Sogenannte Wunscheltern machen sich aber nicht strafbar. Im Ausland gibt es unterschiedliche Regeln: In einigen Ländern sei Leihmutterschaft teils mit bestimmten Einschränkungen erlaubt, in anderen Staaten verboten.
Ein Vorwurf des Domkantors ist, dass die Gemeinde im Wesentlichen selbst für die Verbreitung seines Falls gesorgt habe - per Mail an Hunderte Menschen. In dem Punkt kam das Gericht zu einer ähnlichen Auffassung. "Die Kammer meint, dass es nicht allein dem Kläger zuzuschreiben ist, dass die ganze Problematik in die Öffentlichkeit gelangt ist", sagte der Gerichtssprecher.
Das Gericht gab auch dem Antrag auf Weiterbeschäftigung statt. Bis zum Abschluss des Verfahrens könnte Münden daher sofort zurück auf seinen Arbeitsplatz. Die Parteien vereinbarten aber, dass der Kläger darauf verzichtet, wenn er im Gegenzug die Vergütungsdifferenz zwischen seiner jetzigen Tätigkeit und dem Job bei der Landeskirche bekommt. Münden arbeitet vorübergehendend als Musiklehrer an einem Gymnasium, er hofft aber auf eine Rückkehr in seinen "Traumberuf".
Die Landeskirche kündigte an, gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht in Hannover einlegen zu wollen. Der Vorwurf des kommerziellen Charakters der Leihmutterschaft bleibe bestehen, sagte Kirchensprecher Michael Strauß.
Titelfoto: Ole Spata/dpa