Wegen Mordes vor Gericht: Asperger schützt 17-Jährige vor langer Haftstrafe

Von Christopher Hirsch

Stralsund - Wegen der Tötung eines Mannes in Greifswald im vergangenen Sommer ist eine 17-Jährige zu einer fünfjährigen Jugendstrafe verurteilt worden.

Weil die 17-jährige Angeklagte unter dem Asperger-Syndrom leidet, hat das Gericht von einer Verurteilung wegen Mordes abgesehen.  © Stefan Sauer/dpa

Die Jugendliche habe die tödlichen Schläge auf den 59-Jährigen eingeräumt, sagte der Vorsitzende Richter am Landgericht Stralsund am Freitag. Obwohl der Mann zuvor durch ein präpariertes Getränk betäubt worden war, sah das Gericht - anders als die Staatsanwaltschaft - keine Heimtücke als Mordmerkmal gegeben.

Der Vorsitzende Richter begründete dies mit dem Asperger-Autismus-Syndrom, das eine Gutachterin der nun Verurteilten attestiert habe. Wegen dieser Störung habe sich die Jugendliche nicht bewusst machen können, dass sie die wehrlose Lage des Mannes ausnutzte.

Bewusst sei ihr hingegen, dass man keinen Menschen töte. Strafmildernd bewertete das Gericht das späte Geständnis. Die Jugendliche habe zudem glaubhaft Reue gezeigt.

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Das spätere Opfer hatte die nun Verurteilte nach Überzeugung des Gerichts längere Zeit mit Avancen bedrängt. Dadurch habe sich bei ihr Groll angesammelt. Der gesunde Mensch quäle nicht, es seien für gewöhnlich die Gequälten, die andere quälten, sagte der Vorsitzende Richter.

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50-Jähriger wegen unterlassener Hilfeleistung zu Freiheitsstrafe verurteilt

Der Prozess am Landgericht Stralsund hat zeitweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. (Archivfoto)  © Stefan Sauer/dpa

Die Jugendliche hatte sich mit dem Mann in der Wohnung eines Bekannten getroffen und ihm Alkohol gegeben, der unter anderem mit dem Ecstasy-Wirkstoff MDMA versetzt war.

Als er bewusstlos war, habe sie spontan die Chance zur Tötung genutzt. Demnach attackierte sie den Hals des Mannes mit einem Frühstücksbrett mit massiver Gewalt.

Den 50 Jahre alten Wohnungsinhaber verurteilte das Gericht wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Eine Beteiligung an der Tat, wie von der Hauptangeklagten dargestellt, konnte ihm demnach nicht nachgewiesen werden.

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Bei einer Jugendstrafe handelt es sich um eine Freiheitsstrafe, die in einer Jugendanstalt verbüßt wird. Der Vorsitzende Richter betonte, dass es im Jugendstrafrecht vor allem um Erziehung gehe. "Rufe nach Rache und Vergeltung sind im Jugendstrafrecht fehl am Platz." Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.

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