Urteil: Sachsen durfte Versammlungen während der Pandemie nicht pauschal verbieten!
Leipzig - Auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie haben Versammlungen nicht pauschal verboten werden dürfen. Ausnahmen mussten jedenfalls im Frühjahr 2020 möglich und deren Voraussetzungen klar geregelt sein, wie am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied.
Das Gericht verwarf damit das Versammlungsverbot der sächsischen Coronaschutzverordnung vom 17. April 2020 als unverhältnismäßig. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit wegen einer Pandemie sind danach aber zulässig und können auf das Infektionsschutzgesetz gestützt werden.
Nach der Verordnung waren alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstigen Ansammlungen untersagt. Die Landkreise und kreisfreien Städte konnten im Einzelfall aber Ausnahmen für Kundgebungen genehmigen, wenn dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar war.
Hierzu bestätigte das Bundesverwaltungsgericht zunächst, dass eine Pandemie Einschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen könne. Zulässig habe das Land Sachsen sich hierbei auf das Infektionsschutzgesetz gestützt.
Es habe das Risiko für Leben und Gesundheit weiterhin als hoch einschätzen und dabei auch davon ausgehen dürfen, dass Abstandsgebote oder andere Schutzauflagen die Ausbreitung des Coronavirus nicht vergleichbar hätten verlangsamen können wie das Verbot.
Allerdings gehöre die Versammlungsfreiheit zu den grundlegenden Rechten des Grundgesetzes. Im Frühjahr 2020 habe sich die Infektionsgeschwindigkeit auch nach Einschätzung des Freistaats Sachsen selbst aber verlangsamt. Vor diesem Hintergrund sei ein generelles Versammlungsverbot nicht mehr gerechtfertigt gewesen, befand das Bundesverwaltungsgericht.
Bundesverwaltungsgericht: Generelles Versammlungsverbot war "nicht gerechtfertigt"
Die Einschränkung dieses Grundrechts sei durch die Ausnahmeregelung der sächsischen Verordnung aber "nur unwesentlich" gemildert worden. Denn die Verordnung habe nicht die Voraussetzungen geregelt, unter denen eine Ausnahme möglich war. Vielmehr sei dies in das freie Ermessen der örtlichen Behörden gestellt worden.
Stattdessen hätte der sächsische Verordnungsgeber die Ausnahmen selbst regeln müssen, erklärten die Leipziger Richter.
In dem Urteil bestätigte das Bundesverwaltungsgericht zugleich die Anordnung, dass - mit bestimmten Ausnahmen - im öffentlichen Raum ein Mindestabstand von anderthalb Metern einzuhalten war.
Titelfoto: Jan Woitas/dpa