Richter schauen Netflix-Doku über Kinderzimmerdealer im Gerichtssaal
Leipzig - "Shiny_Flakes: The Teenage Drug Lord" - diese 2021 erschienene Netflix-Doku machte den Leipziger Kinderzimmerdealer Max S. (28) weltberühmt. Dass der anderthalbstündige Streifen einmal in einem Gerichtssaal als Beweismittel dient, hatte sich der Protagonist bei den Dreharbeiten vermutlich nicht vorstellen können. Am Mittwoch war es so weit.
Es fehlte nur noch das Popcorn. Im Schwurgerichtssaal am Leipziger Landgericht herrschte am Mittwoch Kinoatmosphäre.
Auf einer großen Leinwand konnte der Angeklagte Beginn und Ende seiner ersten Großdealer-Karriere verfolgen - gespielt von ihm selbst. "Shiny" in der Netflix-Doku und "Shiny" auf der Anklagebank - beide grinsten um die Wette.
Max S. war auch am Mittwoch anzumerken, wie stolz er noch immer ist, vom heimischen Kinderzimmer aus Rauschgift für rund vier Millionen Euro über sein einstiges Kaufhaus "Shiny Flakes" vertickt zu haben.
Im Prozess um den Nachfolger "Candylove" wollen die Richter herausfinden, ob es Max wirklich vornehmlich darum ging, allen zu beweisen, was er für ein IT-Genie ist, oder ob er doch nur ein gewöhnlicher Drogenkrimineller ist, dem es einzig ums Geld ging.
Gutachter konnte weder Reue noch Schuldgefühle feststellen
Immerhin war der 2019 auf Bewährung vorzeitig entlassene Kinderzimmerdealer während der gesamten Netflix-Dreharbeiten längst wieder dick im Geschäft - mit "Candylove".
"Ich kontrolliere alles. Ich stehe über allem. Ich kann das" - so beschreibt der damalige Gerichtspsychiater Dr. Christof Hieronymus in der Doku das Selbstverständnis von Max S., Reue oder Schuldgefühle habe er bei ihm nie erlebt.
Im aktuellen Fall hatte der Wiederholungstäter in seinem Geständnis erklärt, dass es ihm nur ums Programmieren gegangen sei. Mit dem eigentlichen Drogenverkauf habe er nichts zu tun haben wollen.
Ob der Netflix-Streifen Richtern und Schöffen geholfen hat, die Glaubwürdigkeit dieser Aussage zu bewerten - unklar. Der Prozess wird fortgesetzt.
Titelfoto: Bildmontage: Netflix, Ralf Seegers