Rechte von Betroffenen ignoriert: Amtsrichter steht wegen Rechtsbeugung vor Gericht

Leipzig - Überlastet, überfordert oder einfach nur faul? In Leipzig wird seit Donnerstag einem Amtsrichter der Prozess wegen Rechtsbeugung gemacht, weil er in Dutzenden Betreuungsverfahren die unter anderem von Freiheitsentzug Betroffenen nicht angehört und über ihre Köpfe hinweg entschieden haben soll.

Angeklagt wegen Rechtsbeugung: Jürgen K. (64) soll als Betreuungsrichter Betroffene nicht gehört haben.
Angeklagt wegen Rechtsbeugung: Jürgen K. (64) soll als Betreuungsrichter Betroffene nicht gehört haben.  © Ralf Seegers

Er hatte über schwer kranke, oft geistig behinderte Menschen zu entscheiden: Jürgen K. (64) war seit 2013 Betreuungsrichter am Amtsgericht Eilenburg.

In dieser Funktion hatte er etwa festzulegen, ob Menschen aus gesundheitlichen Gründen in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden müssen, einen Betreuer benötigen oder zum Selbstschutz an ihren Betten fixiert werden dürfen.

Die persönliche Anhörung sei das "Kernstück der Amtsermittlung eines jeden Betreuungsrichters", führte Staatsanwältin Daniela Francke aus. Und darauf soll Jürgen K. "systematisch verzichtet" und nur vom Schreibtisch aus entschieden haben. "Fehlentscheidungen nahm er so billigend in Kauf", so Francke.

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Die Anklage listet 54 Fälle auf - neben dem Unterlassen der Anhörung soll der Richter teilweise auch auf die vorgeschriebene Bestellung eines Verfahrenspflegers verzichtet haben.

Richter Jürgen K.: "Ich war so hinüber, monatelang krank"

Die 5. Strafkammer am Leipziger Landgericht führt den Prozess gegen den Richter-Kollegen. Der wird im Verfahren auch von einem forensischen Psychiater begutachtet.
Die 5. Strafkammer am Leipziger Landgericht führt den Prozess gegen den Richter-Kollegen. Der wird im Verfahren auch von einem forensischen Psychiater begutachtet.  © Ralf Seegers

Vor Gericht begründete der inzwischen pensionierte Richter sein Verhalten mit chronischer Überlastung und seinem schlechten Gesundheitszustand.

"Ich war so hinüber, monatelang krank, da hat sich ein Rückstau über 40 Vorlagefächer gebildet", erklärte Jürgen K. So habe er die Entscheidungen auf Grundlage der ärztlichen Gutachten getroffen. "Die Anhörungen wollte ich später nachholen ..." Irgendwann habe er dann kein Land mehr gesehen.

Der Prozess wirft kein gutes Licht auf Sachsens Justiz.

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So erklärte der Jurist, dass er ehemals selbst Strafrichter gewesen sei und bei der Versetzung in die Betreuungsabteilung keinerlei Aus- oder Weiterbildung in dem für ihn fremden Rechtsgebiet bekam. "Das musste ich mir alles nebenbei selbst aneignen", so Jürgen K.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Titelfoto: Ralf Seegers

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