Prozess um Rechtsbeugung: Überforderter Richter sitzt nun selbst auf der Anklagebank
Leipzig - Überfordert, faul oder einfach nur unfähig? In Leipzig sitzt ein Richter wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung auf der Anklagebank, weil er in zahlreichen Betreuungsverfahren die Betroffenen nicht angehört und über deren Köpfe hinweg entschieden haben soll.
Es sind schwer kranke, oft geistig behinderte Menschen, über die Jürgen K. (61) zu befinden hat.
Der Eilenburger Amtsrichter ordnet Betreuungen an, entscheidet über die Fixierung von Patienten an Betten und über freiheitsentziehende Maßnahmen wie die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie.
Ein Betreuungsrichter muss dabei die Betroffenen persönlich anhören, sich von ihnen einen Eindruck verschaffen - so will es das Gesetz. Und dagegen soll Jürgen K. laut Anklage "systematisch" verstoßen haben.
In 54 Fällen seien Betroffene nicht angehört worden, habe der Richter vom Schreibtisch aus entschieden.
In neun Fällen soll er zudem die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterlassen haben.
Arbeitstempo von angeklagtem Richter K. stand schon länger in der Kritik
Vor dem Landgericht berichtete der Amtsrichter am Montag von akuter Überforderung.
"Die Masse an Verfahren hat mich erschlagen", so Jürgen K. Er sei selbst oft krank, habe dann keinen Vertreter und die Akten stapelten sich in seinem Büro. "Ich wusste gar nicht mehr, wo ich anfangen sollte."
Und so legte sich der Jurist dann eine eher pragmatische Arbeitsweise zu. Wenn er einen Betroffenen nicht angehört habe, dann nur, weil er ihn bereits kannte, behauptete K. In anderen Fällen habe er ärztlichen Gutachten entnommen, dass die Behinderten gar nicht in der Lage waren, ihren Willen kund zu tun.
Den Vorwurf der Rechtsbeugung wies Richter K. jedenfalls zurück.
Freimütig gab er aber kund, dass sein Arbeitstempo bereits seit 2013 intern kritisiert werde und das Justizministerium auch schon versucht habe, ihn des Dienstes zu entheben. Der Prozess wird fortgesetzt.
Titelfoto: Ralf Seegers