Munition und Sprengstoff im Garten vergraben: KSK-Soldat gesteht und bricht in Tränen aus
Leipzig - Zum Auftakt des Prozesses gegen einen Oberstabsfeldwebel des Kommandos Spezialkräfte (KSK), der auf seinem Grundstück im nordsächsischen Collm große Mengen Munition vergrub (TAG24 berichtete), hat der Angeklagte ein umfängliches Geständnis abgelegt. Er habe damit die Ausbildung seiner Soldaten sicherstellen wollen, erklärte Philipp S. (45) und sprach von "Mangelwirtschaft" bei der Bundeswehr. Am Ende seiner Einlassung brach der Elitesoldat in Tränen aus.
Seit 1996 ist Philipp S. bei der Bundeswehr. Seine Karriere begann als Gebirgsjäger in Schneeberg, 2001 wechselte er ins KSK und war hier an zahlreichen geheimen Kommandoaktionen im Ausland beteiligt, darunter mehrfach bei der Terroristenbekämpfung in Afghanistan. Seit 2011 ist er Ausbilder bei der Elitetruppe.
Auch privat lebt der eher kleine, drahtige Mann seine Faszination vom Militär aus. Neben den im Garten vergrabenen rund 7000 Schuss Munition, zwei Kilo Plastiksprengstoff, Zünder und Zündschnüren fanden die Ermittler noch eine Kalaschnikow AK 47.
Die habe er sich als Deko an die Wand hängen wollen, sagte S. im Prozess.
Ganz legal besaß der Waffenscheininhaber zudem durchschlagkräftige Schießeisen. Im heimischen Waffenschrank lagerten eine Selbstladepistole SFP9 und ein Sturmgewehr G36.
Im Nachtschrank fanden Ermittler ein aufmunitioniertes Pistolenmagazin, auf dem Dachboden die Hülle einer abgeschossenen Panzerfaust.
Doch warum schaffte der von polizeilich vernommenen KSK-Kameraden als "sehr korrekt und dienstbeflissen" beschriebene Ausbilder kiloweise Munition und Sprengstoff beiseite, dazu Nebelgranaten und Übungsknallkörper?
Angeklagter Philipp S.: "Über Konsequenzen keine Gedanken gemacht"
Über Jahre seien Restbestände von Munition und Übungsmaterialien im Keller seiner Kompanie gelagert worden, erzählte Philipp S. – "...um die Ausbildung sicherzustellen". Denn auch bei der KSK habe Mangelwirtschaft geherrscht.
Oft hätte für Übungen nur schadhaftes oder verschlissenes Material zur Verfügung gestanden, berichtete der Angeklagte.
Als die 2. KSK-Kompanie 2017 nach einer ins Rechtsextreme ausgeuferten Abschiedsparty für ihren Kompaniechef ins Visier interner Ermittler und des Militärgeheimdienstes MAD geriet, wurde der Keller aufgeräumt.
"Ich habe die Munition mit nach Hause genommen, um Schaden von der Kompanie abzuwenden", erklärte Philipp S.
Wie zuvor in Überlebenslehrgängen bei der Bundeswehr gelernt, legte er dazu insgesamt vier Erddepots an.
Auf welche Weise er Munition und Sprengkörper aus der Kaserne schmuggelte, ob er dabei Helfer hatte oder gar auf Anweisung handelte – dazu äußerte sich der Oberstabsfeldwebel nicht.
Ziel sei es gewesen, die gebunkerte Munition und den Sprengstoff bei einer für 2020 geplanten KSK-Übung auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz einzusetzen, behauptete Philipp S. Wegen Corona sei die Übung jedoch abgeblasen worden.
"Über die Konsequenzen habe ich mir damals keine Gedanken gemacht, ... Munition und Sprengstoff waren für uns Dinge des täglichen Lebens", erklärte der suspendierte Berufssoldat.
Erst die Haft habe ihm die Augen geöffnet. Und bei dieser Aussage zerspringt die harte Fassade des Elitekämpfers und er bricht in Tränen aus: "Ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen..."
Kontakt zu Mitglied des rechten Prepper-Netzwerkes "Nordkreuz"
Dass nicht nur Kriegsgerät bei ihm gefunden wurde, sondern auch NS-Devotionalien wie Postkarten aus dem Dritten Reich, ein Liedbuch der SS und größtenteils aus den 1990er Jahren stammende rechte Zeitschriften (TAG24 berichtete), dazu gab Philipp S. keine Erklärung ab.
Angaben jenes Ermittlers der Soko Rex zufolge, der damals die Durchsuchung im Haus des Angeklagten leitete, seien die NS-Devotionalien nicht zur Schau gestellt, sondern in einer Kiste verstaut gewesen.
Im Haus hätte nichts darauf hingedeutet, dass hier ein Rechtsextremer wohne, erklärte der langjährige Staatsschutzermittler.
Bei der Auswertung von S.' Mobiltelefon fand die Soko Rex einen Kontakt zu einem Mitglied des rechten Prepper-Netzwerkes "Nordkreuz".
Dass Philipp S. selbst Teil eines rechten Netzwerkes oder einer Prepper-Gruppe gewesen sei, hätten die Ermittlungen jedoch nicht ergeben, erklärte der LKA-Beamte im Zeugenstand.
Am kommenden Freitag wird der Prozess mit der Vernehmung von Munitions-Sachverständigen fortgesetzt.
Titelfoto: Ralf Seegers