Mordmotiv "Böse Gucken": Skurriler Prozess um tödliche Schüsse in Leipzig

Leipzig - Seit Jahren tobt in Leipzigs Unterwelt ein erbitterter Drogenkrieg um Marktanteile und Verkaufsplätze. Die tödlichen Schüsse im August 2019 auf den Wirt eines Spielcafés in Gohlis werteten Ermittler damals als blutigen Höhepunkt des Machtkampfs zwischen türkischen und albanischen Gruppierungen. Zum Prozess am heutigen Montag war davon keine Rede mehr. Jetzt soll "böses Gucken" Motiv der Schießerei sein.

Noch wegen Mordes angeklagt: Mariglen M., hier mit seinem Anwalt Stephan Bonell (l.), räumte die tödlichen Schüsse ein.
Noch wegen Mordes angeklagt: Mariglen M., hier mit seinem Anwalt Stephan Bonell (l.), räumte die tödlichen Schüsse ein.  © Ralf Seegers

Es war wie in einem dieser Mafia-Filme, was sich am 7. August 2019 vor der an der Georg-Schumann-Straße gelegenen Spelunke "Zum fröhlichen Zecher" abspielte.

Gegen 2.30 Uhr tauchte dort der Albaner Mariglen M. (36) mit Begleitern auf. Nach einem kurzen Wortgefecht zog er eine halbautomatische Pistole Glock Kaliber 9 mm und feuerte auf Emrah K. (24). Der Türke eilte noch in sein Spielcafé und kam mit einer Softair-Waffe im Anschlag zurück.

Was seinen Gegenspieler laut Anklage dazu veranlasste, die finalen Schüsse in Richtung Brust zu setzen.

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Emrah K. sackte tödlich getroffen zusammen. Todesschütze Mariglen M. setzte sich daraufhin erst in seine albanische Heimat und später nach Spanien ab, wo er im Oktober letzten Jahres von Fahndern aufgespürt wurde.

Vor Gericht räumte Mariglen M. am Montag die Schüsse auf den Wirt unumwunden ein. Mit der linken Hand auf dem Koran schwor er, dass es aber nicht seine Absicht gewesen sei, jemanden zu töten. "Ich wollte ihn nur erschrecken", behauptete der Angeklagte.

Ein Wachmann bringt Mariglen M. in den Gerichtssaal. Nach eigenen Angaben ist er 1985 geboren, in den Gerichtsakten wird sein Geburtsjahr mit 1989 angegeben.
Ein Wachmann bringt Mariglen M. in den Gerichtssaal. Nach eigenen Angaben ist er 1985 geboren, in den Gerichtsakten wird sein Geburtsjahr mit 1989 angegeben.  © Ralf Seegers

Eine Geschichte, die nicht hinterfragt wird

Am Morgen nach der Schießerei sichern Kriminaltechniker vor dem Lokal Spuren.
Am Morgen nach der Schießerei sichern Kriminaltechniker vor dem Lokal Spuren.  © Ralf Seegers

Und der Grund? Das Opfer habe ihn böse angeschaut und sei laut geworden, als er um 2.30 Uhr nur mal in die Bar schauen wollte, wie denn dort die Atmosphäre sei, erzählte Mariglen M., der nach eigenen Angaben seit neun Jahren illegal in Deutschland lebt und sich hier mit Gelegenheitsjobs durchschlägt.

Zudem hätte er zu diesem Zeitpunkt bereits viel Alkohol, Kokain und Crystal intus gehabt.

Merkwürdig: Weder Gericht noch Staatsanwaltschaft bemühten sich am Montag sonderlich, die von M. präsentierte Geschichte eines bloßen Streits um böse Blicke zu hinterfragen.

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Ob es bei der Schießerei vielleicht um Geschäfte ging, ob die Gelegenheitsjobs des Pistoleros auch mit Drogen zu tun haben könnten? All das scheint die Justiz nicht zu interessieren.

Dem Albaner eröffnet sich so die Chance auf eine weit mildere Bestrafung wegen Totschlags. Die Ermittlungsbehörden könnten dann vielleicht auf ein paar Insider-Tipps über albanische Strukturen in der Drogenhochburg Leipzig hoffen...

Der Prozess wird bis Ende September fortgesetzt.

Titelfoto: Ralf Seegers

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