Mit "Luftrezepten": Arzt und Apotheker sollen Kassen abgezockt haben
Leipzig - Mit sogenannten "Luftrezepten" und illegaler Praxisbelieferung sollen ein Leipziger Apotheker und ein nordsächsischer Facharzt bei Krankenkassen Hunderttausende Euro abgezockt haben. Seit Donnerstag stehen beide vor dem Landgericht - der Pharmazeut wegen gewerbsmäßigen Betruges, der Mediziner wegen 416-facher Untreue.

Seit Mitte vorigen Jahres ging in der Arnika-Apotheke keine Pille mehr über den Tresen. Die Türen sind verschlossen, der Verkaufsraum verwaist. Für die Menschen im Leipziger Stadtteil Stötteritz ist das ein Problem, denn im Dezember machte mit der Viktoria auch die zweite Apotheke im Viertel dicht - aus wirtschaftlichen Gründen.
Anders liegt die Sache bei Arnika-Apotheker Holm L. (53). Er würde gerne wieder öffnen, darf aber nicht. Die Landesdirektion hat ihm die Betriebserlaubnis entzogen. Die Gründe dafür werden seit Donnerstag vor Gericht verhandelt.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Holm L. soll mit dem Urologen Dr. Habib M. (67) einen illegalen Deal eingegangen sein. Laut Anklage lieferte er ihm zwischen 2014 und 2018 überwiegend hochpreisige Medikamente direkt in die Delitzscher Praxis. Der Facharzt übergab die Medikamente seinen Patienten dann gleich nach der Behandlung.
Was nach ärztlichem Service klingt, ist jedoch ein Verstoß gegen das im Apothekengesetz verankerte Zuweisungsverbot, das es Arztpraxen verbietet, ihre Rezepte nur für eine Apotheke auszustellen. Das soll einerseits Patienten und Krankenkassen vor Abzocke mit überteuerten Verordnungen, andererseits den Wettbewerb der Apotheken schützen.

Angeklagte kündigen Einlassungen an

Schlimmer wiegt allerdings der zweite Vorwurf: Von den 665 von Dr. M. ausgestellten Verordnungen sollen laut Anklage 416 reine "Luftrezepte" gewesen sein.
Bedeutet: Ohne Wissen von Patienten sollen auf deren Namen Rezepte für meist hochpreisige Medizin ausgestellt worden sein, die der Apotheker dann ohne erbrachte Leistung gegenüber gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet haben soll.
Laut Anklage sollen die Beschuldigten allein durch die Luftnummern bei den Kassen rund 171.686 Euro abgezockt haben. Den Gesamtschaden aus den illegalen Geschäften des Apothekers, der im Jahr 2018 auch mehrere Monate lang einen gesondert verfolgten Oschatzer Urologen belieferte, sieht die Staatsanwaltschaft bei 412.923 Euro.
Zum Prozessauftakt kündigten beide Angeklagte Einlassungen am kommenden Dienstag an.
Titelfoto: Montage: Silvio Bürger