Milde Urteile wegen schwerer Verfahrensfehler: Colditzer Familien-Clan wieder in Freiheit
Leipzig - Sie waren als gefährliche Drogen-Bande angeklagt - und verließen das Gericht jetzt als freie Leute. Im Prozess gegen den Colditzer Familienclan N. sind der Vater Ralf (67) und seine beiden Söhne am Freitag zu milden Freiheitsstrafen verurteilt und anschließend aus der Haft entlassen worden. Dass es so kam, lag auch an schwerwiegenden Ermittlungspannen.
Als Zollfahnder und Bundespolizisten Ende März in Colditz zum großen Schlag gegen das nach ihren Erkenntnissen organisierte Verbrechen ausholte, sah das zunächst wie ein großer Erfolg aus. Die mehr als 250 eingesetzten Beamten holten aus Häusern und Lagerhallen der Holzhändler-Familie N. rund 7,8 Kilo Crystal-Mischungen sowie scharfe Waffen hervor und fanden eine Cannabisplantage mit 2718 Pflanzen.
Acht Monate später endete das Großverfahren im Desaster für die Ermittlungsbehörden. Zwar wurden Ralf N. und seine Söhne Uwe (35) und Andreas (39) am Freitag wegen Drogenhandels in nicht geringer Menge verurteilt, doch die Strafen fielen mit vier Jahren Gefängnis für den Vater und je drei für die Geschwister Uwe und Andreas weit geringer aus, als es sich die Ermittler erhofft hatten.
Das lag zum einen daran, dass die 6. Strafkammer des Landgerichts die rechtlichen Kriterien für eine Bande nicht erfüllt sah, die Waffen laut Beweiswürdigung beim Drogenhandel keine Rolle spielten und die Cannabis-Plantage, die in einer von Ralf N. vermieteten Lagerhalle entdeckt wurde, nicht der Familie zugeordnet werden konnte.
Und zum anderen an haarsträubenden Ermittlungspannen von Zollfahndung und Staatsanwaltschaft Chemnitz, die den Vorsitzenden Richter Dr. Andreas Stadler nach eigenem Bekunden "sprachlos" machten.
"Entwürdigend": Sohn aus Colditzer Familienclan nackt festgenommen
So waren Durchsuchungsmaßnahmen und Telefonüberwachungen teilweise rechtswidrig, weil Anordnungen fehlten oder fehlerhaft ausgestellt waren. Auch die Festnahmen der Beschuldigten beurteilte die Kammer als zunächst rechtswidrig und die Behandlung eines der Söhne als "entwürdigend", da er nackt festgenommen wurde.
Auch waren die Ermittlungsakten selbst im Prozess noch unvollständig. "Es gibt Dinge, die gehen in einem Rechtsstaat nicht", sagte Richter Stadler kopfschüttelnd.
Die milden Strafen - bis zu 15 Jahre Haft wären möglich gewesen - seien auch eine "Kompensation für die Verfahrensfehler".
Trotz der ausgesprochenen und nach allseitigem Rechtsmittelverzicht inzwischen rechtskräftigen Haftstrafen hob das Gericht die Haftbefehle am Freitag auf, damit Ralf N. und seine Söhne, die seit März in U-Haft saßen, daheim Weihnachten feiern können.
Im kommenden Jahr müssen sie dann ihre Reststrafen antreten.
Titelfoto: Bildmontage: Ralf Seegers