Prozess: Brachte eine Justiz-Intrige Leipzigs Mafia-Jägerin zu Fall?
Leipzig - "Ich habe mich in meinem gesamten beruflichen Leben stets richtig und rechtstreu verhalten." Zum Auftakt des Rechtsbeugungs-Prozesses gegen die Leipziger Oberstaatsanwältin Elke Müssig (54) hat die Juristin sämtliche Vorwürfe bestritten. In ihrer Aussage zeichnete sie das Bild einer von Intrigen und Überlastung geprägten sächsischen Justiz.
Dass sie mit Curt-Matthias Engel (51) einmal Seite an Seite sitzen würde, hätte Elke Müssig früher nicht zu glauben gewagt. Sie, die ehrgeizig Mafia-Jägerin, die seit 1997 zahlreiche Drogenbarone zur Strecke brachte. Er, der Top-Anwalt, der zahlreiche dieser Drogenbarone und zuletzt die Hells Angels verteidigte. Jetzt kämpft er gemeinsam mit zwei Kollegen um die Zukunft seiner einstigen Widersacherin.
Ihr größter Fall, die Ermittlungen gegen eine internationalen Bande, die tonnenweise mit dem Crystal-Grundstoff Chlorephedrin handelte, wurde Müssig zum Fallstrick. „Die Ermittlungen nahmen ein Ausmaß an, wie ich es in 20 Jahren nicht erlebt hatte“, erzählte sie vor Gericht. Ständig habe es neue Erkenntnise gegeben, in ihrem Büro hätten sich kistenweise Akten gestapelt. „Irgendwann habe ich den Überblick verloren und war nervlich ziemlich am Ende“, so die Oberstaatsanwältin.
Das Verfahren platzte und Müssig beging Fehler. Ermittlungen gegen den Kronzeugen M., der in einem Leipziger Hotel mit 2,8 Kilo Crystal gehandelt haben soll, brachte sie nicht zu Ende. Ihre einstigen Kollegen unterstellen ihr Absicht und haben die Oberstaatsanwältin wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt angeklagt. Angeblich habe sie den Dealer, der zuvor gegen zwei andere Ganoven ausgesagt hatte, vor dem Knast schützen wollen.
Oberstaatsanwältin sieht Justiz-Intrige
Müssig wies das vehement zurück. Sie erklärte, die Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft Gera abgegeben zu haben, die ebenfalls wegen Drogenhandels gegen M. ermittelte. Wie sich später herausstellte, flossen die Leipziger Erkenntnisse aber nicht in die Geraer Anklage ein. Am Ende kam der Drogendealer in Thüringen mit einer lächerlichen Bewährungsstrafe davon.
Ein weiterer Vorwurf: Müssig soll in einer Gerichtsverhandlung, in der sie als Zeugin geladen war, gelogen haben. Damals hatte sie ausgesagt, den Kronzeugen M. in Gera nicht vernommen zu haben. Die Staatsanwaltschaft präsentiert in der Anklage andere Erkenntnisse. Doch auch diesen Vorwurf wies die Juristin gestern zurück. Sie habe lediglich an einem Vorgespräch teilgenommen, die Vernehmung hätten dann zwei BKA-Beamte geführt, so Müssig. Zu der Zeit sei sie bereits mit sächsischen Ermittlern in einem Auto auf der Heimreise gewesen.
Hinter den Vorwürfen sieht die Oberstaatsanwältin eine handfeste Justiz-Intrige. Maßgeblich angestoßen von einem Vorsitzenden Richter am Landgericht Leipzig, der mal ein enger Freund Müssigs war. „Wir waren seit 1989 befreundet, unsere Eltern kannten sich und ich war sogar Trauzeugin bei seiner Verpartnerung“, erzählte die Angeklagte. Irgendwann sei es zum Zerwürfnis gekommen, weil es immer wieder unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben habe und der Richter-Freund nicht habe Dienstliches und Privates trennen können.
In jenem Prozess, wo sie als Zeugin aussagen musste, habe sie der Richter regelrecht vorgeführt und dann noch eine „boshafte Erklärung“ gegenüber der Behördenleitung abgegeben, erzählte Müssig. Der einstige Freund sei nun dabei, ihre berufliche und private Existenz zu vernichten. „Ich bin zuvor noch nie von einem Vorsitzenden Richter so behandelt worden“, sagte Müssig, den Tränen nahe. Und bekräftigte dann noch einmal: „Ich habe in gar keinem Fall bewusst etwas Falsches ausgesagt.“
Auch ein Richter muss vor Gericht - als Zeuge
Für den Prozess gegen die einstige Mafia-Jägerin hat das Landgericht extra eine Strafkammer mit Richtern zusammengestellt, die mit Müssig noch keine beruflichen Berührungspunkte hatten und folglich als unvoreingenommen gelten. Bis September wollen sie verhandeln und dabei auch den betreffenden Richter als Zeugen vorladen.
Im Zuschauerraum hatten sich gestern mehrere Staatsanwältinnen und Richterinnen eingefunden, die Müssig in ihrem Kampf um die berufliche Existenz moralisch unterstützen. Auch Leipzigs früherer Chefermittler für Organisierte Kriminalität, Georg Wehling (63), saß im Saal.
Der inzwischen pensionierte Kriminalist war im Zuge der „Sachsensumpf“-Affäre mit seinen Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte selbst in Ungnade gefallen und lange suspendiert. Im vergangenen Jahr wurde er wegen uneidlicher Falschaussage vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss zum „Sachsensumpf“ vom Landgericht Dresden zu einer Geldstrafe verurteilt.
Vor dem Bundesgerichtshof kämpft Wehling aktuell um einen neuen Prozess.