"Fahrradgate"-Skandal: Angeklagte Polizistin hofft auf schnelles Ende
Leipzig - Neustart im Verfahren um den "Fahrradgate"-Skandal der sächsischen Polizei: Nachdem der erste Prozess im April wegen eines Verteidigerwechsels geplatzt war, begann am gestrigen Dienstag am Landgericht die zweite Auflage.
Locker, fast schon beschwingt betritt Anke S. (47) in schwarz-weiß getüpfeltem Sommer-Shirt den Gerichtssaal. Sie hoffe, dass das Verfahren nun endlich ein schnelles Ende finde, raunt die suspendierte Polizeibeamtin Journalisten zu.
Im Schlepptau hat sie ihren neuen Anwalt Erik Bergmüller, der das Mandat Mitte April im Hau-Ruck-Verfahren übernahm. Sein Vorgänger Thomas Morguet hatte in der entscheidenden Phase des ersten Prozesses hingeworfen.
Angeblich hatte der Vertragsanwalt der Polizeigewerkschaft GdP erst da entdeckt, dass er im "Fahrradgate"-Verfahren noch weitere Mandanten vertritt, so ein Interessenkonflikt besteht.
Pech für Staatsanwalt Christian Kuka, der sich nun erneut die Stimme heiser reden muss - beim knapp fünfstündigen Vortragen der Anklageschrift.
Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft beschreibt jedes einzelne der 265 Fahrräder, welche die heute suspendierte Polizeihauptmeisterin zwischen August 2014 und November 2018 aus der Asservatenkammer der "Zentrale Bearbeitung Fahrradkriminalität" (ZentraB) geholt und an Freunde, Kollegen und deren Familien verkauft oder verschenkt haben soll.
Verteidiger: Angeklagte "wollte in der Kollegenschaft an Ansehen gewinnen"
Zumeist war eine "Spende" von bis zu 50 Euro fällig, die Anke S. über den Pegauer Gartenverein "Freundschaft", dessen Vorsitzender ihr Vater war, verrechnete. Insgesamt soll die Polizeihauptmeisterin so 4795 Euro eingenommen und mindestens 3000 Euro für sich behalten haben.
"Dabei handelte die Angeklagte nicht in erster Linie aus Gewinnstreben. Vielmehr wollte sie in der Kollegenschaft an Ansehen gewinnen", stellt Kuka klar.
Im ersten Prozess hatte Anke S. die Weitergabe der Fahrräder eingeräumt, die Vorwürfe des Diebstahls und der Bestechlichkeit jedoch zurückgewiesen. Die Abgabe der Räder zugunsten gemeinnütziger Vereine sei erlaubt gewesen und im Einvernehmen mit ihren Vorgesetzten geschehen, erklärte sie damals.
Wie ihre jetzige Verteidigungsstrategie aussieht, wird kommenden Dienstag zu erfahren sein. Dann will Anke S. erneut aussagen.
Titelfoto: Ralf Seegers