Ex-Mitarbeiterin sagt gegen TV-Gerichtsvollzieher aus und gerät selbst in Verdacht

Leipzig - Der wegen Betrugs angeklagte TV-Gerichtsvollzieher Uwe N. (63) hatte die Vorwürfe gegen sich zum Prozessauftakt abgestritten. Doch wer fälschte dann in fast 100 Fällen die Unterschriften von Postzustellerinnen, um sich an den Zustellungsgebühren zu bereichern? Am Dienstag sagte eine von N.s Büromitarbeiterinnen aus - zunächst nur als Zeugin ...

Seit Mitte August läuft der Prozess gegen Uwe N. (63) am Amtsgericht in Leipzig.
Seit Mitte August läuft der Prozess gegen Uwe N. (63) am Amtsgericht in Leipzig.  © Christian Grube

Über 20 Jahre lang arbeitete Ellen H. in Teilzeit im Büro von Uwe N. und war unter anderem auch mit der Verwaltung von Schuldner-Akten und der Post betraut.

Das Verhältnis zwischen der heute 60-Jährigen und dem Angeklagten sei in dieser langen Geschäftsbeziehung "gut" gewesen, wie die Sachbearbeiterin mit einem nervösen Seitenblick auf ihren ehemaligen Chef kurz und knapp beschrieb.

Wer wann und warum Briefmarken für den Versand von Postzustellungsurkunden kaufte und selbige Dokumente zur Post brachte und wieder abholte, wurde eifrigst ausdiskutiert - ein schwieriges Unterfangen in Anbetracht der Tatsache, dass der Tatzeitraum der gerichtlich bekannten Fälschungen schon mehr als zehn Jahre zurückliegt.

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So widersprachen sich einige Aussagen H.s mit verschiedenen Vernehmungen aus den Jahren zuvor und viele Fragen der Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richterin Zander wurden mit "Ich weiß es nicht" beantwortet.

Postbetrug nur "Spitze des Eisbergs"?

Obergerichtsvollzieher Uwe N. wurde im Laufe seiner Karriere durch Auftritte und Berichte bei "Spiegel TV" oder SAT.1 bekannt.
Obergerichtsvollzieher Uwe N. wurde im Laufe seiner Karriere durch Auftritte und Berichte bei "Spiegel TV" oder SAT.1 bekannt.  © Bildmontage: Alexander Bischoff

2013 kam bei Ellen H. der erste Verdacht auf, dass etwas mit den Postzustellungsurkunden nicht richtig vonstattenging. Diese landeten ab einem gewissen Zeitpunkt in der vorgesehenen Ablage, ohne dass die Sachbearbeiterin diese wie gewohnt von der Post abgeholt hatte.

Als N.s Büromitarbeiterin dann auch noch Stempel mit den Insignien von Postzustellerinnen im Schreibtisch des Gerichtsvollziehers fand, teilte sie sich einer Prüfungsbeamtin des Amtsgerichts mit.

Mit ihrem damaligen Boss suchte sie das Gespräch nicht. "Es hätte eine schnippische Antwort gegeben und es wäre im Sand verlaufen", so die Zweifach-Mutter, die zu diesem Zeitpunkt als Alleinerziehende auf das verlässliche Gehalt angewiesen war.

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Für Verteidiger Andrej Klein erhärtet sich der Verdacht, dass hinter H.s Verhalten ein anderer Grund steckt. Unter anderem Diebstähle in den gemeinsamen Büro-Räumlichkeiten mehrerer Gerichtsvollzieher in Leipzig-Gohlis während der Beschäftigung der 60-Jährigen hätten einen schlechten Beigeschmack, so die Argumentation des Verteidigers.

In vorherigen Vernehmungen hatte H. außerdem angedeutet, dass es sich bei dem Postbetrug nur um "die Spitze des Eisbergs" handeln sollte, wollte sich aber im aktuellen Verfahren nicht weiter dazu äußern. Bekannt ist, dass es ein weiteres Disziplinarverfahren gegen Uwe N. gegeben hatte - dieses wurde aber mittlerweile eingestellt.

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

Titelfoto: Christian Grube

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