Erpressungs-Verdacht: Ex-"Riverboat"-Moderator Carsten Weidling schmort in Argentinien

Leipzig - Am Donnerstag beginnt am Leipziger Landgericht der Betrugs-Prozess gegen den einst mächtigsten Fernsehmanager der ARD, den früheren MDR-Unterhaltungschef Udo Foht (71). Einer, der dieser Verhandlung mit Spannung entgegensieht, ist der frühere "Riverboat"-Moderator Carsten Weidling (55). Ihn hält die Staatsanwaltschaft für eine der Schlüsselfiguren im Intrigenspiel. Auf einen Prozess wartet der wegen Erpressung angeklagte Autor, der heute in Argentinien lebt, seit nunmehr neun Jahren - und findet das einen Justizskandal.

Carsten Weidling moderierte von 2004 bis 2005 die MDR-Talkshow "Riverboat".
Carsten Weidling moderierte von 2004 bis 2005 die MDR-Talkshow "Riverboat".  © Thomas Schulze/dpa

Sein berühmter Name öffnete dem Sohn der DDR-Fernsehlegende O.F. Weidling (1924-1985) einst Tür und Tor beim MDR. Carsten Weidling moderierte die beliebte Talksendung "Riverboat" und durfte für seine TV-Sendung "Wir sind überall" für den Sender durch die Welt reisen. Doch mit dem Korruptionsskandal beim MDR und dem Rauswurf seines Förderers Udo Foth stürzte auch er ab.

Keiner habe mehr mit ihm arbeiten wollen, alle Projekte platzten und plötzlich habe er seinen Lebensunterhalt mit Hartz-IV bestreiten müssen, berichtet Weidling TAG24. Grund: Die Staatsanwaltschaft hält Weidling seit Beginn der Ermittlungen vor elf Jahren für eine der Hauptfiguren im MDR-Skandal, klagte ihn 2013 wegen Erpressung an.

Die Anklage stützt sich auf E-Mails, die Weidling seinem Förderer schrieb und darin hohe Geldsummen angemahnt haben soll. Andernfalls, so soll die Drohung laut Anklage lauten, wolle er beim Intendanten - das war damals der 2014 aus dem Leben geschiedene Udo Reiter (†70) - Fohts System aus Betrug und Geldschiebereien auffliegen lassen.

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Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge sollen große Teile des von Foht bei TV-Produzenten und Promis erschwindelten Geldes an Weidlings Produktionsfirma geflossen sein.

Die E-Mails bereut Weidling heute - weil sie "im harschen Ton" verfasst gewesen seien. Doch keineswegs sei dies eine Erpressung gewesen, will Weidling in einem Prozess klarstellen. Er habe lediglich von Foht die bereits zugesagte Produktionskosten für seine Reisesendung anmahnen wollen und wegen der ewigen Verzögerung mit einer Beschwerde beim Intendanten gedroht, so seine Darstellung.

Der (Über-)Vater: Conférencier O.F. Weidling war in der DDR eine Fernsehlegende, fiel aber 1984 bei der SED in Ungnade.
Der (Über-)Vater: Conférencier O.F. Weidling war in der DDR eine Fernsehlegende, fiel aber 1984 bei der SED in Ungnade.  © Klaus Winkler/dpa

Weidling wartet seit 2013 auf seinen Prozess

Ein aktuelles Foto: Carsten Weidling (55) mit seiner Lebensgefährtin Dinorah (45) in einer Tapas-Bar in Buenos Aires.
Ein aktuelles Foto: Carsten Weidling (55) mit seiner Lebensgefährtin Dinorah (45) in einer Tapas-Bar in Buenos Aires.  © privat

Doch ein Prozess ist nicht in Sicht. Seit 2013 dümpelt das Verfahren beim Landgericht Leipzig. Zwei Verhandlungs-Versuche scheiterten - im Jahr 2019 am Verteidigerwechsel und 2021 an den Corona-Maßnahmen.

Aktuell gebe es keinen neuen Prozesstermin, bestätigte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage von TAG24. Die zuständige Kammer sei mit vordringlichen Haftsachen ausgelastet.

Für den seit nunmehr elf Jahren unter Erpressungs-Verdacht stehenden Weidling ein Skandal. "Durch die unanständige lange Verfahrensverzögerung wurde mir immer die Möglichkeit genommen, öffentlich Stellung zu beziehen", schreibt er TAG24. "Ich habe mich nie versteckt und hätte lieber bereits vor acht Jahren einen Prozess gehabt."

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Immerhin: Das Glück scheint dem Weltenbummler, der nach eigener Auskunft bereits 114 Länder bereiste, wieder hold zu sein. In Südamerika verliebte sich Weidling in Dinorah (45). Mit der Anwältin aus Venezuela lebt der Sachse, der am Sonntag 56 Jahre alt wird, aktuell in Buenos Aires und spricht schon von "meiner zukünftigen Frau".

Mit der Arbeit als Autor gehe es auch bergauf. "Ich bin im Endspurt für meine Reisebuch-Reihe, die demnächst erscheinen wird."

Brisantes Wiedersehen vor Gericht

Ihm soll ab Donnerstag der Prozess gemacht werden: Ex-MDR-Unterhaltungschef Udo Foht (71) galt lange als Förderer von Carsten Weidling.
Ihm soll ab Donnerstag der Prozess gemacht werden: Ex-MDR-Unterhaltungschef Udo Foht (71) galt lange als Förderer von Carsten Weidling.  © Thomas Schulze/dpa

Dank der "verrückten" Wechselkurse in Argentinien könne er mit seinen aktuell bescheidenen Einnahmen in seiner neuen Heimat gut leben, sagt Weidling. Ob er wieder nach Sachsen zurückkehren wird? "Wenn die deutsche Justiz weiter in dieser Geschwindigkeit arbeitet wie bisher, wird sie mich wohl noch die nächsten 10 Jahre immer mal wieder einladen, die schöne Heimat zu besuchen ...". Seinen Lebensmittelpunkt plant Weidling jedenfalls nicht in Deutschland.

Den nächsten Besuch könnte es aber bereits Mitte September geben. Dann soll Weidling im Foht-Prozess als Zeuge aussagen, so er denn tatsächlich auch stattfindet. Von dem inzwischen chronisch erkrankten Ex-Unterhaltungschef erhofft sich der einstige Protegé die Wiederholung der laut einem polizeilichen Durchsuchungsprotokoll getätigten Aussage, dass er nicht erpresst worden sei. Für Weidling wäre das ein erster kleiner "Freispruch"...

Apropos Foht-Skandal: Kurz vor Prozessbeginn trat am Freitag überraschend die Chefin des MDR in Sachsen-Anhalt, Ines Hoge-Lorenz (54), von ihrem Amt zurück. "Ich habe es vor meinem Amtsantritt als Landesfunkhausdirektorin Sachsen-Anhalt versäumt, klar darüber zu informieren, dass mein Ehemann vor über zehn Jahren in der Causa Foht eine Rolle gespielt hat", erklärte die Magdeburger Fernsehjournalistin.

Welche Rolle ihr Gatte im MDR-Skandal spielte, erklärte Hoge-Lorenz nicht. Möglicher Hintergrund: Die TV-Firma Neo-Productions von Stefan Hoge produzierte damals Weidlings Reisesendung "Wir sind überall".

Trat zu­rück: die Lan­des­funk­haus­che­fin des MDR in Sach­sen-An­halt, Ines Hoge-Lo­renz (54).
Trat zu­rück: die Lan­des­funk­haus­che­fin des MDR in Sach­sen-An­halt, Ines Hoge-Lo­renz (54).  © MDR/Steffen Junghans

Nach MDR-Angaben bleibt Hoge-Lorenz in dem Sender tätig, ab 1. September in der Hauptredaktion Information und Innovation.

Titelfoto: Montage privat ; Thomas Schulze/dpa

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