Diagnose nach Google-Recherche: Leipziger Hochstapler-Arzt wollte Papa stolz machen
Leipzig - Als falscher Hausarzt behandelte Sascha R. (36) seit Mitte 2020 Hunderte Menschen in Leipzig, setzte sogar Nadeln, obwohl der gelernte Pflegehelfer nie Medizin studiert hatte. Am Dienstag hat er sich erstmals zu den Vorwürfen geäußert - und versucht, die Hintergründe seiner unvorstellbaren Taten zu erklären.
"Ich habe mich als Arzt ausgegeben, ohne einer zu sein", ließ sich Sascha R. vor dem Landgericht über seinen Verteidiger Tommy Kujus auf die Anklagepunkte ein.
Motivation für das gemeingefährliche Lügenkonstrukt war für den gebürtigen Berliner ein Kindheitstraum - und das, was man heutzutage wohl als "Daddy Issues" bezeichnen kann.
"Seit meiner Kindheit wollte ich nach dem Vorbild meines Hausarztes Arzt werden, aber das Ziel war schwer zu verfolgen", so der Pflegehelfer, der seine schulische Laufbahn mit einem erweiterten Hauptschulabschluss beendete.
Seine Kindheit und Jugend beschrieb der heute 36-Jährige als schwierig: Nach der Trennung seiner Eltern wuchs er zusammen mit seiner jüngeren Schwester bei der alkoholkranken Mutter und deren neuem Partner auf.
Vom Vater fehlte jahrelang jede Spur - bis dieser sich nach langer Zeit im Frühjahr 2020 über Facebook bei seinem Sohn meldete.
Vater und Stiefmutter in falscher Praxis angestellt
"Ich wollte Anerkennung, die der Gesellschaft und die meiner Familie", ließ Sascha R. weiterhin verlesen. Deshalb belog er seinen Vater und dessen neue Partnerin über ein absolviertes Medizinstudium und weihte die beiden in seine Pläne ein, eine eigene Hausarztpraxis in Leipzig zu gründen.
Damit nicht genug: Sowohl sein Vater als auch seine Stiefmutter unterstützten ihn fortan in seiner vermeintlichen Arzttätigkeit, kümmerten sich etwa um die Verwaltung der Praxis oder begleiteten ihn zu Hausbesuchen.
"Ob beide ihm wirklich geglaubt oder einfach nur wissend die Augen verschlossen haben, weiß mein Mandant nicht", so Verteidiger Tommy Kujus.
In seiner Erklärung gab Sascha R. weitere skurrile Details zu seinem plötzlichen "Karrieresprung" zu: So habe er sich sein Fachwissen größtenteils durch bestellte Fachliteratur und Google-Recherchen angeeignet. "Recherchen im Internet ersetzen aber kein Medizinstudium", ließ er folgerichtig verlesen.
Seine Approbationsurkunde hatte er übrigens ebenfalls im Netz gefunden, in Microsoft Word angepasst und möglichst unleserlich unterschrieben.
Betroffene Patienten sollen noch aussagen
Bei seinen "Patienten" entschuldigte sich der Pflegehelfer ausführlich - einige davon werden noch als Zeugen im Prozess aussagen. Er befinde sich aktuell in einer engmaschigen psychiatrischen Behandlung, leide unter Depressionen wegen seines schlechten Gewissens.
Für die Zeit nach seiner sehr wahrscheinlichen Haftstrafe möchte er der Gesundheitsbranche abschwören und absolviert derzeit in der JVA Tegel eine Ausbildung zum Gebäudereiniger.
Der Prozess wird am 26. November fortgesetzt.
Titelfoto: Alexander Bischoff