Tierleid "eiskalt" für Spenden-Betrug ausgenutzt: Fast drei Jahre Haft für Obdachlose
Hamburg – Mithilfe "reißerischer" Bilder von verletzten Hunden und Katzen im syrischen Kriegsgebiet hat eine 36-jährige Hamburgerin monatelang über Fake-Spendenaufrufe auf Facebook und Jimdo das Vertrauen und den Geldbeutel vieler Tierliebhaber ausgenutzt. Die Angeklagte musste sich am heutigen Dienstag wegen Betrugs in besonders schwerem Fall in 298 Fällen vor dem Amtsgericht Hamburg verantworten.
Zwischen Januar und Juni 2019 sammelte die Angeklagte über die Website unsereliebesinddietiere.de (nicht mehr online) und über eine entsprechende Facebook-Seite vermeintliche Spenden für Hunde und Katzen in Not.
Zahlreiche Aufrufe für Geld für Impfstoffe, anderweitige Arztkosten, Welpen-Milch und Futter wurden in diesem Zeitraum gestartet. Auch bestand die Möglichkeit, eine Patenschaft für ein Tier zu übernehmen. Alles untermalt von herzzerreißenden Bildern der Vierbeiner.
Angekommen sind die über 23.000 Euro der 298 Spender aus ganz Deutschland aber nicht bei den notleidenden Tieren in Syrien, sondern landeten stattdessen auf dem Konto des Lebensgefährten der Angeklagten.
Zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich noch auf dem Konto der Zeugin G., die dieses extra bei der Commerzbank eröffnet hatte. G. dachte, sie habe in der Angeklagten eine echte Freundin gefunden, allerdings soll diese sie und ihre Gutmütigkeit nur für ihre Zwecke ausgenutzt haben. Der Verdacht der Verschleierung der Geldmengen stand am Dienstag im Raum.
Die 36-Jährige und ihr Partner leben seit vielen Jahren zusammen in einer Notunterkunft für Obdachlose in Hamburg. Aufgrund psychischer Probleme ist die gelernte Versicherungskauffrau seit 2009 arbeitslos.
Der 62-Jährige war zunächst mit seiner Partnerin wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Betrugs angeklagt, wurde am Dienstag jedoch aufgrund mangelnder Beweise freigesprochen.
Die Angeklagte stellte sich zunächst selbst als Opfer dar
Zudem hatte die 36-Jährige am Dienstag in einer schriftlichen Stellungnahme die gesamte Schuld auf sich genommen. Ihr Partner habe zu keinem Zeitpunkt etwas von ihren Machenschaften geahnt, geschweige den gewusst.
In ihrer Beziehung kümmere sie sich aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse des türkischen Staatsbürgers um die gemeinsamen Finanzen und verfüge allein über seine Bankkarte.
In ihrem Statement räumte die Angeklagte die Taten zwar ein, stellte sich zunächst aber selbst als Opfer dar: Eines Tages habe sie beim Spazierengehen mit ihren zwei Hunden einen Mann namens Mario kennengelernt, der ihr von seiner geplanten Tierschutzorganisation in seinem Heimatland Syrien erzählt haben soll.
Ihm habe nur ein Konto für die Spendeneingänge gefehlt, da seins gerade gesperrt gewesen sei. Sofort habe die Angeklagte das Konto ihres Partners und ihre Hilfe zu Verfügung gestellt. Alles mit der vermeintlichen Absicht, wirklich etwas Gutes tun zu wollen. Erst im Juni 2019 sei sie misstrauisch geworden, als sich "Mario" am Telefon mit einem anderen Namen vorstellte und kurz darauf spurlos verschwand.
Auf den Hinweis der Staatsanwältin, ihre Darstellung entspreche nicht dem von der Richterin geforderten "qualifizierten" Geständnis, ruderte die Angeklagte noch einmal zurück und gab zu, schon im Januar gewusst zu haben, dass bei Marios Tierschutzorganisation nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Vertrauen, Tierliebe und Spendenbereitschaft der Menschen "eiskalt" ausgenutzt
Doch anstatt auszusteigen, hegte die 36-Jährige Hoffnungen, etwas von den Spendengeldern abzubekommen, um sich und ihrem Partner ein besseres Leben aufbauen zu können.
Sie habe jedoch nie etwas von dem Geld gesehen. Nach Eingang der Spenden habe die Angeklagte stets das Geld abgehoben und "Mario" bei der besagten Hundewiese übergeben.
Zwar glaubten Staatsanwaltschaft und Richterin der Angeklagten, den Spendenbetrug nicht initiiert zu haben, dennoch sei ihr Verhalten laut Staatsanwältin "nicht hinnehmbar" gewesen.
Die 36-Jährige habe das Vertrauen, die Tierliebe und die Spendenbereitschaft der Menschen "eiskalt" ausgenutzt und zusätzlich noch mit "reißerischen" Bildern Mitleid erregen wollen. Die Staatsanwältin forderte für die mehrfach vorbestrafte Frau eine "spürbare Strafe" und forderte eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.
Die Verteidigerin hielt diese Forderung "für nicht angemessen" und forderte eine Bewährungsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren. Ihrer Mandantin sei strafmildernd anzurechnen, dass sie trotz der "sehr belastenden Situation" der letzten vier Jahre geständig, reumütig und kooperativ gewesen sei. Sie sei selbst "verarscht" worden und habe die Chance verdient, noch einmal neu anfangen zu dürfen.
Die Richterin schloss sich jedoch der Ausführungen der Staatsanwältin an und verurteilte die Angeklagte am Dienstag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24