Mutter vor Augen des Sohnes (6) niedergestochen: Richterin sorgt für Buh-Rufe im Saal
Hamburg – In dem Prozess um einen 44-Jährigen, der seine Ex-Partnerin (35) vor den Augen des gemeinsamen Sohnes mit mindestens sieben Messerstichen niedergestochen hat, ist am heutigen Dienstag das Urteil gefallen.
Wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung musste sich der 44-Jährige seit Anfang August vor dem Hamburger Landgericht verantworten.
Ein vollumfängliches Geständnis seinerseits beschleunigte das Verfahren erheblich, sodass bereits am heutigen Dienstag die Beweisaufnahme geschlossen und das Urteil gesprochen werden konnte.
Der Angeklagte hatte aus einem "Gefühlschaos" heraus, seine Ex-Partnerin und Mutter seines Sohnes (6) am 28. Januar 2023 vor ihrem Wohnhaus in der Meister-Francke-Straße in Barmbek-Nord zu Boden gestoßen und ihr mindestens sieben Messerstiche in Arme, Bauch und Rücken versetzt. Nur dank der schnellen Hilfe von Nachbarn und Rettungskräften überlebte die 35-Jährige.
Durch die teils zentimetertiefen Stiche erlitt sie innere Verletzungen an der Leber, dem Magen und Dünndarm. Ein weiterer Stich in den Arm durchtrennte einen der drei wichtigsten Nerven im Oberarm, wodurch das Opfer noch heute unter einer sogenannten "Fallhand" leidet. Ob sie ihren rechten Arm je wieder richtig nutzten kann, ist noch ungewiss.
Bereits zuvor sei die Beziehung von Gewalt geprägt gewesen. Alles habe mit der Geburt ihres Sohnes 2016 begonnen, wie das Opfer am zweiten Prozesstag aussagte. Auf den hervorgebrachten Wunsch der Trennung reagierte der Täter mit einem Würgeangriff auf seine Ex-Partnerin.
Kein Einzelfall, wie eine Kriminalbeamtin am Dienstag aussagte. Der 44-Jährige sei auch außerhalb der Beziehungstaten schon polizeilich für seine Gewaltdelikte bekannt.
Unmut gegen die Richterin im Gerichtssaal
Während der Vernehmung der letzten drei Zeugen überraschte der Anwalt des Opfers, das gleichzeitig als Nebenklägerin auftrat, das Gericht mit einem weiteren Beweisantrag.
Er warf der Polizei und der Staatsanwaltschaft nicht hinreichende Ermittlungen vor, so soll eine weitere Nachbarin das Geschehen von ihrem Fenster aus beobachtet haben, aber nie von der Polizei verhört worden sein.
Diese soll gesehen haben, dass nicht ein Stoß, sondern ein Messerstich in den Rücken die Ursache für den Sturz des Opfers gewesen sein soll. Ein weiterer Versuch, die Anklage auf versuchten Mord auszuweiten, wie TAG24 aus dem Umfeld des Opfers erfuhr.
In den Augen der zahlreichen Unterstützer, die am Dienstag mit der Nebenklägerin zusammen im Zuhörerraum saßen, ein gerechtfertigter Vorwurf. Unmut herrschte darüber, dass die Richterin alle mutmaßlichen Beweise in diese Richtung nicht zugelassen habe.
Als auch der neu gestellte Beweisantrag von der Vorsitzenden abgelehnt wurde, ließen sich sogar einige Anwesende zu Buh-Rufen hinreißen, die sofort abgemahnt wurden. Das Opfer selbst wollte sich auf TAG24-Anfrage nicht äußern.
"Es wird ihn sein ganzes Leben verfolgen, dass sein Vater beinahe seine Mutter getötet hat!"
In ihrem Schlussplädoyer beantragte die Staatsanwältin für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten sowie die Aufrechterhaltung des Haftbefehls.
Strafschärfend wertete die Staatsanwaltschaft sein skrupelloses Vorgehen, die billigende Inkaufnahme von tödlichen Verletzungen und die Ausführung der Tat vor den Augen seines eigenen Sohnes: "Es wird ihn sein ganzes Leben verfolgen, dass sein Vater beinahe seine Mutter getötet hat!"
Die Nebenklage schloss sich weitestgehend der Staatsanwaltschaft an und betonte noch einmal die Widersprüchlichkeit in den Aussagen des Angeklagten.
Die fehlenden Unterhaltszahlungen und die mangelnde Kooperationsbereitschaft mit den entsprechenden Ämtern stehe nicht im Einklang mit dem angeblich so schmerzhaften Kontaktabbruch zum Sohn. Im Vordergrund hätte allein der "Hass" auf die Mutter gestanden.
Für die Folgen der gefährlichen Körperverletzungen forderte die Nebenklage zudem eine Zahlung eines Schmerzensgelds von 30.000 Euro.
Richterin spricht bei Urteilsverkündung von "erschütterndem Tatgeschehen"
Die Verteidigung berief sich vor allem auf das vorzeitige Geständnis ihres Mandanten und beantragte die Nichtüberschreitung der durch die Staatsanwaltschaft beantragten Strafe.
Mit einer Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren berücksichtigte das Gericht schließlich den Antrag der Verteidigung.
Die Richterin sprach während der Urteilsverkündung von einem "erschütternden Tatgeschehen", welches auch im tagtäglichen Geschäft des Schwurgerichts eine Seltenheit sei. Besonders hob das Gericht die Folgen für – neben der Mutter und ihrem Lebensgefährten, der zur Tatzeit ebenfalls anwesend war – das "dritte Opfer" hervor: der gemeinsame Sohn.
Der Sechsjährige geht seit dem schrecklichen Vorfall wie seine Mutter zur Trauma-Therapie, kann nachts nicht mehr allein schlafen und habe seinen Vater nie wieder "Papa" genannt.
Titelfoto: TAG24/Franziska Rentzsch