Hitzige Stimmung im Gerichtssaal: Geiselnehmer vom Hamburger Flughafen geht Richter an
Hamburg - Am dritten Prozesstag um die Geiselnahme am Hamburger Flughafen sind die Gefühle am Donnerstag im Gerichtssaal 337 übergekocht: Der Angeklagte (35) fühlte sich missverstanden und warf dem Vorsitzenden Richter vor, sich über ihn lustig zu machen. Dieser reagierte daraufhin seinerseits mit Unverständnis.
Zu Beginn der Sitzung war jedoch noch alles ruhig. Als erster Zeuge (47) war ein Polizist der Außenstelle Flughafen geladen, der am 4. November 2023 zusammen mit seinem Kollegen als Erster am Tatort - dem Vorfeld des Hamburg Airport - eintraf.
Im Vordergrund stand neben der Frage, ob der Angeklagte spontan oder von langer Hand gehandelt hat, wie dieser überhaupt auf das Vorfeld gelangen konnte.
Die Antwort war dann für alle Beteiligten sehr ernüchternd: Statt durch die von mehreren Mitarbeitern gesicherte und etwas abgerückte Einfahrt des Nordtors zu fahren, durchbrach der 35-Jährige die drei Sicherheitsschranken der daneben gelegenen Ausfahrt quasi mühelos - und das mit schätzungsweise gerade einmal 20 km/h.
Der einfache Durchbruch gelang durch Sollbruchstellen in den Schranken, die eigentlich in Notfällen den Weg für Rettungsdienste erleichtern sollten.
Neues Nordtor am Hamburger Flughafen: "Jetzt kommt da nicht mal mehr ein Panzer durch!"
Das Nordtor liegt neben dem Terminal Tango und ist von der Hamburger Flughafenstraße aus für jeden frei einseh- sowie erreichbar. Warnschilder - dass das Befahren für Unbefugte nicht erlaubt ist - habe es damals nicht gegeben, meinte sich der Zeuge zu erinnern.
Der 47-Jährige zeigte sich - auch gerade nach der Sichtung der Überwachungsvideos - selbst überrascht, wie einfach man zumindest zum damaligen Zeitpunkt auf das Vorfeld des Flughafens gelangen konnte.
Nach dem Vorfall wurden die komplett zerstörten Schranken vom Hamburger Flughafen durch automatisierte Stahltore ersetzt.
"Jetzt kommt da nicht mal mehr ein Panzer durch", so der Zeuge. Was aber auch zur Folge habe, dass Rettungskräfte beispielsweise im Falle eines Brandes nicht mehr so schnell in den Sicherheitsbereich gelangen könnten.
Ob der Angeklagte das Nordtor im Vorfeld seiner Tat ausspioniert hat, könne man aufgrund des "regen Flughafenbetriebs" nicht sagen.
Laut weiteren Zeugen bereitete der Angeklagte aber zumindest die Molotowcocktails - die er im späteren Verlauf des Tatabends aus seinem Fluchtauto warf - in seiner Wohnung in Buxtehude vor, noch bevor er nach Stade fuhr, um mutmaßlich seine Tochter zu entführen.
Geiselnehmer wirft Mutter seines Kindes Gewalt vor
Die Überwachungsvideos seines Eindringens auf das Hamburger Flughafengelände schaute sich der Angeklagte schweigend an, Mini-Nachfragen des Richters beantworte der türkische Staatsbürger ruhig und höflich.
Sein Ton änderte sich jedoch schlagartig während der Befragung der zweiten Zeugin: einer Polizistin (57) aus Stade, die mehrfach seine Ex-Frau und Mutter seiner Tochter vernommen hat.
Und die auch schon bei der ersten mutmaßlichen Entführung der heute Fünfjährigen durch den Angeklagten im März 2022 für den Fall zuständig war.
Laut dem 35-Jährigen habe er sein Kind aber nie entführt, sondern seine Ex-Frau habe damals zu im gesagt: "Nimm das Kind und geh!"
Zudem warf er ihr vor, mehrfach gewalttätig gegenüber seiner Tochter geworden zu sein.
Die Mutter warf ihrem Ex-Mann hingegen vor, sie via einer App ausspioniert zu haben, und habe nach der Scheidung sichtlich Angst vor dem Angeklagten gehabt, erinnerte sich die Beamtin.
Angeklagter: "Ich habe das Gefühl, man macht sich über mich lustig!"
Als der Richter den Angeklagten dann erneut nach den eBay-Chat-Verläufen fragte, mit denen er sich - getarnt als eine Kaufinteressentin - am Tatabend im November 2023 mit seiner Ex-Frau verabredet haben soll, antwortete dieser wütend: "Warum ist das wichtig? Ich erzähle Ihnen von Gewalt und Sie halten sich an so unsinnigen Sachen auf!"
Immer wieder verwies der Angeklagte emotional sehr aufgewühlt und mit erhobener Stimme auf den Sorgerechtsstreit mit seiner Ex-Frau und dass überall immer nur ihre Ansichten gehört werden würden. "Ich habe das Gefühl, Sie machen sich über mich lustig", warf der 35-Jährige dem Richter vor.
Woraufhin dieser ebenfalls laut wurde und ihn daran erinnerte, hier vor dem Straf- und nicht dem Familiengericht zu sitzen und dass er ihm jede Chance gebe, sich zu den Aussagen seiner Ex-Frau und seiner Sichtweise zu äußern. Woraufhin zunächst unangenehme Stille im Gerichtssaal herrschte.
Bei der Fortsetzung des Prozesses am morgigen Freitag soll der Angeklagte die Möglichkeit bekommen, sich noch einmal ausführlich zu äußern.
Titelfoto: Tag24/Madita Eggers