"Gipfel der Selbstjustiz": Staatsanwalt fordert 12 Jahre für Flughafen-Geiselnehmer
Hamburg - Im Prozess um die Geiselnahme am Hamburger Flughafen sind am heutigen Freitag die Schlussplädoyers vorgetragen worden. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von 12 Jahren für den Angeklagten Salman E. (35), der im November 2023 seine Tochter entführt und anschließend ein Flugzeug in die Türkei verlangt hatte.
Strafmildernd sei laut Oberstaatsanwalt Ulf Bornemann lediglich zu berücksichtigen, dass der türkische Staatsbürger direkt zu Beginn ein Teilgeständnis abgelegt hat.
Auch wenn er dann im Verlauf der Verhandlung alles bestritten habe, was aufgrund von Videobeweisen und zahlreichen Zeugenaussagen eh nicht zu bestreiten gewesen sei.
Zudem habe sich der Angeklagte zwar bei der Polizei entschuldigt – "Panik verbreitet zu haben" –, später aber keinerlei Verantwortung mehr für seine Taten übernommen, sondern die vollständige Schuld den deutschen Behörden, den Gerichten und seiner Ex-Frau zugesprochen.
Strafschärfend sei hervorzuheben, dass der Angeklagte nur ein halbes Jahr vor den Geschehnissen am Hamburger Flughafen schon einmal wegen der Entziehung Minderjähriger vom Amtsgericht Stade verurteilt wurde. Und dennoch nicht gelernt habe, dass er seine Tochter "nicht einfach nehmen und ins Ausland bringen kann".
Zudem sei das Vorgehen des 35-Jährigen im Hinblick auf den vorangegangen Sorgerechtstreit mit seiner Ex-Frau – den Bornemann als Auslöser für die Geiselnahme sieht – der "Gipfel der Selbstjustiz" gewesen. "Ausgetragen auf dem winzigen Rücken eines vierjährigen Kindes", betonte die Staatsanwaltschaft am Freitag.
Nebenklage: "Der Angeklagte hat die Zukunft von Mutter und Tochter versaut!"
Salman E. habe ein rücksichtsloses Verhalten an den Tag gelegt, bei dem ihm das Wohl seines Kindes ebenso gleichgültig gewesen sei, wie das aller Beteiligten auf dem Weg zum Flughafen und den eingesetzten Polizisten vor Ort.
Dabei habe er auch billigend in Kauf genommen, dass einer der Beamten die Nerven hätte verlieren können. "Haben Sie daran gedacht, dass sie auch vor den Augen ihrer Tochter hätten erschossen werden können?", richtete der Staatsanwalt während seines Plädoyers nochmal einmal persönlich das Wort an den Angeklagten.
Die Nebenklägerin schloss sich vollständig der Staatsanwaltschaft an und ging in ihrem Plädoyer vor allem auf die Tatfolgen für die Ex-Frau des Angeklagten und ihrer gemeinsamen Tochter ein.
Salman E. habe ohne jegliches Anzeichen von Reue oder Einsicht die "Zukunft von Mutter und Tochter versaut", die sich laut der Nebenklägerin "nie wieder sicher fühlen werden". Sie hoffe, dass der 35-Jährige seine Taten irgendwann "wirklich reflektiert" und erkenne, welchen (seelischen) Schaden er angerichtet habe.
Im Hinblick auf die Angst ihrer Mandantin, was passiert, wenn ihr Ex-Mann aus der Haft entlassen wird, äußerte die Nebenklage den Wunsch, "dass dies nicht so schnell passieren wird" und forderte eine Haftstrafe von 11 Jahren und sechs Monaten.
Die Verteidigung zeichnet ein Bild eines "verzweifelten Vaters"
Die Verteidigerin nannte am Freitag kein konkretes Strafmaß, bat das Gericht jedoch strafmildernd zu berücksichtigen, dass ihr Mandant tatsächlich glaube "massiv unfair" behandelt worden zu sein.
Sie habe in den vergangenen Wochen kein Wort so oft gehört, wie das türkische für Sorgerechtsstreit: "Mein Mandant denkt tagein, tagaus an nichts anderes."
Und auch wenn er einen "falschen Weg eingeschlagen hat", habe wohl jeder der Anwesenden im Gerichtssaal sehen können, dass er seine Tochter wirklich liebt.
In seiner subjektiven Wahrnehmung habe er keinen anderen Weg gesehen, als sich durch die Geiselnahme die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die ihm zuvor als "verzweifelter Vater, der sein Kind 14 Monaten nicht gesehen hat" verwehrt worden sei.
Dass Salman E. wirklich "schlichtweg nicht in der Lage ist, zu erkennen" – wie seine Anwältin es am Freitag formulierte –, warum er überhaupt vor Gericht steht, zeigten auch seine letzten Worte.
In denen der Angeklagte erneut die Abschiebung mit seiner Tochter in die Türkei forderte und noch einmal betonte, dass "er nur ein Vater sei", der seit 21 Monaten um seine Tochter kämpfe, um die inzwischen Fünfjährige vor ihrer angeblich gewaltigen Mutter zu schützen.
Das Urteil des Hamburger Landgerichts wird am 25. Juni erwartet.
Titelfoto: Tag24/Madita Eggers