Geiselnehmer vom Hamburger Flughafen: "Es war mir einen Versuch wert"

Hamburg - Am 4. November 2023 soll der Angeklagte Salman E. (35) mit seiner Tochter (heute fünf Jahre alt) in einem Mietwagen die Schranken des Hamburger Flughafens durchbrochen haben, um sie in die Türkei zu entführen. Dass er dies schaffen könnte, glaubte er allerdings wohl selber nicht.

Der Angeklagte (35) bespricht sich mit seiner Anwältin.
Der Angeklagte (35) bespricht sich mit seiner Anwältin.  © Tag24/Madita Eggers

Am 5. Prozesstag äußerte sich der Angeklagte mit einem Schriftstück erneut persönlich. Die mangelhafte Grammatik des 35-Jährigen stellte jedoch selbst den Übersetzer vor eine Herausforderung.

Er schilderte den vergangenen Sorgerechtsstreit, betonte, dass seine Ex-Frau der gemeinsamen Tochter Leid zugefügt habe. Auch auf die vorhandene Sprachbarriere kam E. nicht nur einmal zu sprechen.

Das Sorgerecht bekam der Angeklagte damals nicht zugesprochen. Er habe aber gehört, dass man nach drei bis fünf Jahren gegen solch ein Urteil rechtlich vorgehen könne, so der türkische Staatsbürger mit abgelaufener Duldung in Deutschland.

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Dass er aufgrund der Dauer bis zur etwaigen erneuten Verhandlung seine Tochter entführt habe, um in die Türkei zu fliegen, verneinte er aber.

Ob E. erneut zu einem solch radikalen Mittel, wie dem Flughafen-Vorfall, greifen würde, wollte der Angeklagte nicht direkt beantworten.

Salman E.: "Ich habe die Kontrolle über alles verloren"

Schwer bewaffnete Spezialkräfte der Polizei am Flughafen. Dass Salman E. (35) es schaffen würde, mit seiner Tochter in die Türkei auszureisen, glaubte er wohl selber nicht.
Schwer bewaffnete Spezialkräfte der Polizei am Flughafen. Dass Salman E. (35) es schaffen würde, mit seiner Tochter in die Türkei auszureisen, glaubte er wohl selber nicht.  © Bodo Marks/dpa

Aber wer ist E. Überhaupt? Laut eigenen Angaben ist der 35-Jährige mit vier Geschwistern und seinen Eltern in der Türkei aufgewachsen.

Sein Vater (†) war zunächst Lehrer, anschließend Schneider. Seine Mutter (63) sei Hausfrau. "In unserer Familie war alles normal. Schläge gab es nicht. Meine Ex hat darüber Aussagen gemacht, aber das war Unsinn", erklärte er am Montag dem vorsitzenden Richter Dr. Schwarz.

Finanziell gesehen soll die Familie nach türkischem Standard ein ganz normales Leben geführt haben.

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Nach seinem Abitur sei er nach Istanbul gezogen, um zu arbeiten. Ein Betriebswirtschaftsstudium habe er aufgrund der damaligen Wirtschaftskrise abgebrochen.

Warum er trotz Bildung in seiner schriftlichen Einlassung so viele syntaktische wie auch grammatikalische Fehler machte, versuchte seine Anwältin mit "Emotionen" zu erklären. Das Schriftstück umfasste laut des Angeklagten 18 Seiten.

In Istanbul arbeitete er unter anderem als Kellner/Barmann. Später habe er eine Firma - Onlinehandel für Kleidung/Textilien - gegründet, die er dann, als er nach Deutschland kam, für etwa 5000 Euro verkaufte.

In Hamburg verdiente er sich wieder als Barmann, später auch als Fahrer für Hermes und Co. Geld. Bei seiner Festnahme hatte er zwar gerade keinen Job mehr, dafür aber viele Schulden. Wie hoch diese genau seien, wüsste er nicht. Die Kreditschulden schätzte er auf etwa 20.000 Euro.

"Ich habe die Kontrolle über alles verloren", so der 35-Jährige. Bezahlt werden mussten unter anderem die Wohnung in Buxtehude wie auch die Anwälte. Unterhalt für die Tochter habe er nicht geleistet. Konnte er auch nicht.

Es war ihm einen Versuch wert ...

Der Geiselnehmer (35, l.) liegt neben seiner Tochter auf dem Boden.
Der Geiselnehmer (35, l.) liegt neben seiner Tochter auf dem Boden.  © Jonas Walzberg/dpa

Warum er mit seiner Tochter in der Nacht die Schranke zum Vorfeld des Hamburger Flughafens durchbrach?

Offenbar wollte er Aufmerksamkeit für seinen eigentlich abgeschlossenen Sorgerechtsstreit generieren.

"Entweder sie lassen uns gehen oder das Verfahren wird wieder aufgerollt und das Urteil verbessert", so die Hoffnung des Angeklagten. Er dachte wohl, dass sich im Anschluss eine höhere Instanz um den Fall kümmern würde.

Dass er tatsächlich das Land hätte verlassen können, glaubte er aber nicht. "Dass ich nicht erfolgreich sein würde, war mir bewusst. Aber es war mir einen Versuch wert." Außer finanziell habe er niemandem geschadet, glaubt der 35-Jährige.

Sein Ziel war und sei es, seine Tochter zu bekommen, um mit ihr in die Türkei zurückzukehren. "Ich denke, Istanbul wäre besser für uns. Für mich und meine Tochter." Zwischen sie und ihre Mutter wolle er sich aber nicht stellen. Vor ihr habe er die Tür nie verschlossen.

Nun steht ihm vielleicht eine längere Zeit hinter Gittern bevor.

Richter Dr. Schwarz richtete zum Ende der Verhandlung hin noch ein persönliches Wort an den Angeklagten: "Ihre Tochter schaut vielleicht ganz anders auf ihre Mutter, als sie auf ihre Ex. Ihrer Tochter sollten sie bei allem, was sie tun bedenken. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mehr in die Position von ihrer Tochter hineinversetzen."

Titelfoto: Tag24/Madita Eggers

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