Flughafen-Geiselnehmer spricht von "Blutbad" und hält sich für unschuldig

Hamburg - Im Prozess um die Geiselnahme vom Hamburger Flughafen ist am heutigen Mittwoch die Frage der Schuldfähigkeit geklärt worden. Wobei noch einmal deutlich wurde, dass der Angeklagte Salman E. (35) sich mit seinem impulsiven und respektlosen Verhalten vor Gericht keinen Gefallen getan hat.

Der Angeklagte (35) beim Prozessauftakt Ende April. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geiselnahme, die Entziehung Minderjähriger, vorsätzliche Körperverletzung und verschiedene Waffendelikte vor.
Der Angeklagte (35) beim Prozessauftakt Ende April. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geiselnahme, die Entziehung Minderjähriger, vorsätzliche Körperverletzung und verschiedene Waffendelikte vor.  © Tag24/Madita Eggers

Noch bevor die psychiatrische Gutachterin ihre Einschätzung vortragen konnte, pochte der Angeklagte am Mittwoch darauf, erneut eine Einlassung vorzulesen.

Wieder warf der türkische Staatsbürger dem Strafgericht vor, seine Tochter (heute 5) nicht ausreichend (unter anderem vor seiner Ex-Frau und Mutter des Kindes) zu beschützen.

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Und sprach anschließend mit erhobener Stimme eine Warnung aus, die der Angeklagte nach eigenen Angaben bereits an der bulgarischen Grenze im März 2022 geäußert haben will.

Damals war es dem 35-Jährigen nach einem Streit mit seiner Ex-Frau gelungen, seine Tochter für mehrere Monate über den Landweg in die Türkei zu entführen.

"Wenn dort nur einer meiner Tochter ein Haar gekrümmt hätte, hätte ich ein Blutbad angerichtet. Und die ganze Welt hätte sich das anschauen können", so Salman E., der andeutete, dass diese Eskalationsstufe für ihn mutmaßlich noch immer eine Option sei.

Zumal er ebenfalls betonte, ein "Film aufnehmen" zu wollen, damit die ganze Welt sehe, dass er im Recht und damit unschuldig sei. Was genau dort zu sehen sein soll, ließ er offen. Nicht aber seine Forderung an den vorsitzenden Richter Torsten Schwarz: "Ich erwarte von ihnen den Beschluss: 'Nimm dein Kind und geh weg!'"

Psychiatrische Gutachterin: "Ich habe den Eindruck, dass er gar nicht versteht, warum er hier sitzt"

Nach Einschätzung der psychiatrischen Gutachterin geht Salman E. immer noch davon aus, am Ende des Prozesses mit seiner Tochter in die Türkei zurückkehren zu können.
Nach Einschätzung der psychiatrischen Gutachterin geht Salman E. immer noch davon aus, am Ende des Prozesses mit seiner Tochter in die Türkei zurückkehren zu können.  © Daniel Bockwoldt/dpa

Das gänzlich fehlende Verständnis Salman Es. für seine aktuelle Situation und das fortwährende Aufbringen des Sorgerechtsstreits veranlasste die Sachverständige in ihrer Einschätzung von "verzerrt in seiner Wahrnehmung" zu sprechen.

"Ich habe den Eindruck, dass er gar nicht versteht, warum er hier sitzt", so die 43-Jährige.

Dies allerdings nicht aufgrund einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung, sondern einer "auffälligen Persönlichkeitsstruktur".

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Ihrer Einschätzung nach ist Salman E. "hochgradig narzisstisch", egozentrisch, impulsiv, stur sowie überheblich, habe eine "hohe Risikobereitschaft" und "eine fast schon fanatischen Art immer wieder seinen Standpunkt zu präsentieren".

Zudem fehle ihm die Fähigkeit, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, weswegen er auch die einfache Frage des Staatsanwaltes – "Was denken Sie, wie ihre Tochter sich in dem Moment gefühlt hat?" – schlichtweg nicht verstanden habe.

Genauso wenig, wie den Vorwurf der Entführung beziehungsweise der Geiselnahme. "Für Herrn E. ist seine Tochter sein Eigentum", schlussfolgerte die Sachverständige, deswegen sehe er sich auch im Recht, über den Aufenthaltsort seines Kindes zu bestimmen.

Sachverständige hält Angeklagten für "voll schuldfähig"

Am 5. November 2023 ergab sich der Angeklagte nach einer 18-stündigen Geiselnahme am Hamburger Flughafen und sitzt seitdem in U-Haft.
Am 5. November 2023 ergab sich der Angeklagte nach einer 18-stündigen Geiselnahme am Hamburger Flughafen und sitzt seitdem in U-Haft.  © Jonas Walzberg/dpa

Dass das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter dann seiner Ex-Frau zugesprochen wurde, habe den Angeklagten "massiv gekränkt". Sein Vertrauen in die deutschen Behörden habe er schließlich komplett verloren.

Der Angeklagte betonte am Mittwoch selbst, immer nur gedemütigt und herabgesetzt worden zu sein. Stets seien ihm seine fehlenden Deutschkenntnisse negativ ausgelegt und immer nur seiner Ex-Frau geglaubt worden.

"Für ihn sind immer alle anderen Schuld", so die Sachverständige weiter. "Die ganze Welt habe ihn in die Situation gebracht, dass er gar nicht anders konnte, als sein Kind zu entführen."

Die Gutachterin hält Salman E. für "voll schuldfähig". Die psychologischen Auffälligkeiten seien nicht so ausgeprägt, dass er nicht gewusst habe, was oder warum er etwas tut.

Salman E. warf der 43-Jährigen am Mittwoch vor, ein altes Gutachten für ihn wiederverwertet zu haben und "dass das alles nur ihre Meinungen seien".

Titelfoto: Tag24/Madita Eggers

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